Samstag und Sonntag, 4./5.1. blieben wir weiter am Anker in St. Anne. Einerseits, weil es uns noch nicht wirklich weiter zog (Bänz genoss die Möglichkeit, mit dem Dinghi eine Viertelstunde lang nach Le Marin hinein zu brettern und dort die Chandleries heimzusuchen, und ich bin sowieso schon glücklich, wenn ich meinen Morgentee mit Morgenschwumm verbinden kann). Andererseits aber auch, weil es bei beiden doch noch immer Pendenzen gab, die wir so erledigen konnten.
Da wurde Benis zweiter Aussenborder auseinandergenommen und revidiert (wobei dann erst am Schluss herauskam, dass eventuell ein grösserer innerer Schaden am Zylinder oder dem Vergaser für sein lahmes Temperament verantwortlich sein könnte), die Kabel unserer Solarpanels verlängert bzw. noch flexibler eingerichtet, das Dinghi erhielt seine Chromstahl-Kette, es gab nochmals Austausch mit Beni, etc. etc. – wie immer flogen die Tage nur so dahin.
Und für mich gab es zwei Büro-Arbeitstage, an welchen ich mich um die Berichte kümmerte, welche ich am Freitag verschoben hatte. Dabei unterstützend war durchaus, dass am Sonntag das Wetter nicht so recht freundlich wirken wollte, und immer wieder mal dicke Regenschauer über uns hinweg zogen.
Im Verlauf des Sonntags packte den Skipper aber allmählich die Unruhe und so begannen wir auch, den Doyle und seinen französischsprachigen Kollegen Jérome Nouel über die Ostküste, d.h. die Luvseite Martiniques zu studieren. Wir hatten beide inzwischen wieder das Bedürfnis, mal etwas einsamer als mit 100 anderen Yachten in einer Bucht zu liegen, was die Ostseite sicher eher bietet, weil sie sehr viel anspruchsvoller zu navigieren ist als im Insel-Lee. Doyle hat sich deshalb z.B. damit begnügt, eine einzige Bucht ganz im Südosten noch zu beschreiben und sich dann mit Hinweis auf Nouel aus der Affäre zu ziehen. Der meint, man brauche auf dieser Seite jemanden, der immer navigiere, sowie jemanden, der Ausguck mache (eyeball-navigation). Hmmm – und wer steuert? Vor einem grossen Teil der Ostseite liegt ein vorgelagertes Riff und dahinter kann aber weiter gesegelt werden. Wichtig ist, die richtige Durchfahrt durchs Riff zu finden, dies zur richtigen Tageszeit (wenn die Sonne von hinten scheint, also bis spätestens 14h) zu machen und dann dahinter die Orientierung zu behalten. Ein gefundenes Fressen für unseren Skipper-Navigator, und so wurde am Sonntagabend in einer Regenschauer-Pause das Dinghi aufs Vordeck gehievt (passt gut, und die Luken können darunter noch immer geöffnet werden), die Genua-Persenning und die Bimini-Verlängerung entfernt, und allgemein Klarschiff gemacht, um dann am Montagmorgen gleich mit dem ersten Licht loslegen zu können.
Die Nacht wurde nicht besonders erholsam – wahrscheinlich war es das ungewohnte Weckerstellen, das uns ständig aufwachen liess, oder vielleicht war auch Sea magiX schon so ungeduldig, mal wieder loszufahren, dass sie deshalb ständig am Anker ruckte wie nie vorher. Jedenfalls ging es ganz schnell, bis um 05.30h der Wecker tönte und schon bald danach tuckerten wir durchs noch schlafende Ankerfeld südwärts. Weiter aussen begegneten wir den ersten Fischerbojen, welche uns den ganzen Weg begleiten sollten. Vor allem östlich des vorgelagerten Riffs liegen viele Fischernetze mit Schwimmleinen; sie sind etwa 50-100m lang und haben am einen Ende eine etwa Handball-grosse helle Boje, aber dazwischen entweder durchsichtige Plastikflaschen oder noch kleinere Korkbällchen, die man in den Wellen kaum sieht. Höchst unangenehm!
Zuerst ist der Kurs hoch am Wind (ca. 14-18kn) und nach vielen Wochen völlig ungewohnt, mit Spritzern, Krängung, anstrengenden Turnübungen in der Küche beim Frühstückmachen und allem Drum und Dran. Nach etwa zwei Stunden können wir aber ein wenig abfallen. Wir sausen mit 7-8kn Fahrt dem Riff entlang nordwärts und es dauert nicht lange, bis wir abfallen und uns durch eine Passage, die sogar mit einer Quadrantenboje markiert ist, ins Innere schlängeln.
Etwas nördlich der Passe du Caye Mitan liegt ein Inselchen «le Loup Garou», das direkt aus einer Comics-Zeichnung stammen könnte. Ein wirklich kleiner Fleck weisser Sand, flach, mit Brechern rechts und links davon, und zwei-drei Palmen darauf. Für einen Ankerhalt ist es mir dort zu holprig, aber wenigstens für ein paar Fotos fahren wir hin.
Dann geht’s im etwas ruhigeren Wasser hinein in die riesige Bucht von Le Robert, um Riffs herum, an Inselchen vorbei um die Ecke, wo wir bei der Ile de la Grotte ganz nah am Mangroven-bewaldeten Ufer eine Boje picken. Viel Wasser ist da nicht mehr – ca. 3m zeigt das Echolot – aber die Boje scheint zwei Bojensteine zu haben und hält auch, wenn wir mit recht viel Gas daran ziehen. Wie vom Guide klar empfohlen, sind wir am Mittag schon angekommen, so dass wir die Steine unter Wasser bei dem Sonnenstand gut erkennen konnten. So nah am Ufer ist es schön friedlich; die Vögel aus den Mangroven kommen uns besuchen und wir geniessen es, weit genug von der hinteren Bucht entfernt zu sein, so dass uns die dort unter lautstarker Bespassung ankommenden Ausflugskatamarane und Motorboote nicht stören.
Ein Mittagsschlaf, um die nachts verpassten Stunden aufzuholen, Mails vom ersten Arbeitstag im neuen Jahr beantworten, und schon ist es wieder Abend. Ich habe soeben die frisch gebratenen Hamburger auf ihre ebenfalls frisch getoasteten Baguette-Streifen gelegt und den Salat gemischt, da kratzt es unten am Ruder. Nicht gut – der Tidenhub hier ist wohl doch grösser als die für Le Robert vorausberechneten 40cm, und wir schwingen gerade von unserer Boje mit dem Heck sehr nah ans Land. Einige Versuche, das Heck mit dem Dinghi-Anker (es hat keinen Wind, bzw. Böenlüftchen von 3.5kn, und geht nur darum, das Zum-Land-Schwingen zu verhindern) wegzuhalten, misslingen. Inzwischen ist es dunkel geworden, aber so können wir hier nicht über Nacht bleiben. Wir verlassen unsere Boje und ankern einige Meter weiter draussen, bevor wir uns dem unterbrochenen Znacht zuwenden können.
Nachts kommt der Wind dann wieder und zieht die Ankerkette in eine andere Richtung, aber der Anker hält, und ich kann diese Zeilen heute Morgen ungefähr am gleichen Ort weiterschreiben, wo ich sie gestern Nachmittag begonnen hatte. Es ist wieder wunderschöne Morgenstimmung, bei inzwischen doch wieder stärkerem, böigen Wind aber ganz ruhigem Wasser. Etwas weiter aussen liegt eine blaue oder schwarze Megajacht, die aussieht, wie eine J-Class und nachts ein rotes Ankerlicht führen muss, weil ihr Mast für Flugzeuge gefährlich werden könnte. Noch sind keine Ausflugsboote unterwegs: die Vögel, der eine private Katamaran in der Bucht hinten und wir hier am Anker vorne haben die Stimmung für uns.
Noch ist der weitere Tagesverlauf nicht ganz klar definiert – eventuell geht es heute Nachmittag los, um durch die Nacht in Richtung Gouadeloupe, bzw. Marie Galante zu segeln. Oder wir bleiben nochmals eine Nacht in dieser Gegend, evtl die Buchten südlich der Presqu’ile de Caravelle erforschend, die wir schon zu Fuss kennen gelernt hatten, und starten dann ganz früh am nächsten Morgen. Es sind von aussen am Riff ca. 70SM, was bei gutem halbem Wind eigentlich in einem Tagesschlag klappen müsste. Wenn wir nachts fahren würden, kämen wir wohl zu früh, d.h. noch im Dunkeln auf Marie Galante an. Und wenn wir morgens ganz früh starten würden, müssten wir gegen das Licht durch die Riffpassage. Mal sehen, welche der beiden Varianten wir wählen. Watch this space… ?