Wir verbrachten einen sehr gemütlichen Tag auf Culebra am Montag. Ausschlafen, ein wenig lesen (die Crew), mal wieder den Motor kontrollieren und den Kühlwasserhahn bewegen (der Skipper), … bevor wir es so richtig gemerkt hatten, war es schon Mittag, und dabei hatten wir noch morgens zum Landausflug starten wollen. Es blies noch immer mächtig mit Passat, auch in der grossen Bucht hinter dem Piraten-Inselchen. Wir können uns wirklich immer auf unseren Anker verlassen, und so war es einfach nur gemütlich im Windschatten des Sprayhoods und wir hatten wohl beide nicht übermässig Lust auf zu viele nasse Dinghyfahrten. Aber irgendwann ging’s dann trotzdem los, denn wir hatten ein wichtiges Ziel: wir brauchten eine Sim-Karte für die Spanish Virgin Islands und Puerto Rico, denn das WiFi im Dinghy-Dock ist zwar gut, aber wir wollten ja nicht nur in Culebra bleiben. Und zudem hatte mich das Personal dort etwas verärgert, als wir am Sonntagabend dort eben das WiFi nutzen wollten. Wir hatten uns spontan für ein feines Fisch-Essen dort entschieden und nicht nur zwei Drinks bestellt, sondern entsprechend mehr ausgegeben. Trotzdem wurden uns gefühlt die Stühle fast unter dem Hintern weggezogen, kaum hatten wir die letzte Gabel in den Mund gesteckt. Obwohl daneben noch ein Tisch frei war. Solche Kunden-Unfreundlichkeit bei gleichzeitig stolzen Preisen schätze ich nicht. Das Dinghy-Dock-Restaurant ist aber auf Culebra für Segler eine Institution, ähnlich wie Shrimpy’s auf St. Martin. Hier trifft sich die wieder viel internationalere Seglerwelt zum Sundowner und man könnte anscheinend auch Wasser in Kanistern tanken, was wir aber nicht benötigen. Die Essensreste werden vom Dock direkt vor den Tischen ins Wasser geworfen und deshalb schwimmen dort auch immer einige sehr grosse Fische, die vor allem im Dunkeln, wenn sie von der Beleuchtung angelockt werden, ein eindrückliches Schauspiel abgeben. Beim Einsteigen ins Dinghy für den Rückweg ist wohl jeder Gast etwas vorsichtiger, auch wenn er die Happy Hour ausgiebig genossen hatte. Bloss nicht auch noch zum Fischfutter werden…
Eigentlich hatten wir auch vorgehabt, am Montag noch ein wenig laufen zu gehen. Wir hatten einen der diversen Hügel rund um die Ensenada Honda ins Auge gefasst. Aber als wir dann das Dinghi bei der Tankstelle auf der anderen Seite der Bucht (es gibt einen schmalen Durchgang für Dinghys auf die Westseite zum Ferry-Pier) festgemacht hatten, und ausstiegen, war sofort klar, dass es dafür wohl um die Mittagszeit zu heiss sein würde. Wir erforschten den einen kleinen Supermarkt, der in einem Nebenraum auch frisches Fleisch anbietet, dafür aber ein unübersichtliches und irgendwie weniger vertrauenserweckendes Sortiment sonst hat, dann spazierten wir durch die Strässchen von Culebra und schwelgten in Erinnerungen an Silvester von 2014 auf 15, das wir hier verbracht hatten – immer mit einem Auge offen für mögliche Simkarten-Anbieter. Als wir beim zweiten Supermarkt vorbeikamen, wollte die Inhaberin gerade zur Mittagspause gehen, hätte aber für uns nochmals aufgeschlossen. So freundlich! Wir winkten ab und verschoben unseren Besuch auf nach ihrer Pause etwa um 15:30h. Aha, stimmt, wir sind ja da wieder im Spanisch-sprechenden Gebiet. Am Ferry-Pier konnten wir uns noch davon überzeugen, dass wir am Sonntag den Officer bei Border Control nicht missverstanden hatten. Die einfache Fahrt für eine erwachsene Person ohne Gepäck nach Ceiba kostet gerade mal USD 2.50 und dauert ca. 1h. Pro Gepäckstück kommt dann noch 1 USD hinzu. Menschen zwischen 63 und 74 Jahren bezahlen 1 USD und Ältere fahren gratis. Da staunten wir schon ein wenig. Und Bänz überlegte sich gleich, ob wir nicht mit der Fähre einen Ausflug nach Vieques machen sollten, da wir dies angesichts des vorhergesagten Windes von unserem Programm gestrichen haben.
Bei der Tourist Info lockten wir Joana widerwillig von ihrem Mittagessen weg. Sie war zuerst verärgert, dass wir sie in ihrer Pause störten (wir hatten wieder nicht realisiert, dass dies ihre Mittagspause war – es war inzwischen etwa 14h), wurde dann aber äusserst hilfsbereit. Ich weiss jetzt noch nicht genau, was diesen Umschwung bewirkt hatte; vielleicht des Skippers schöne Augen. Oder die Tatsache, dass er zufällig gerade einen Zettel mit dem QR-Code für eine Kundenbefragung in der Hand hielt. Jedenfalls schickte sie uns zur anderen Tankstelle, gleich beim Ferry-Pier (der übrigens mit ohrenbetäubendem Lärm im Moment erneuert wird), um dort nach einer Karte zu fragen, während sie versuchte, jemanden zu erreichen, der vielleicht auch weiterhelfen könnte. Bei der Tankstelle erhielten wir die sehr bestimmte Antwort, dass wir auf Culebra keine Simcards finden würden. Niedergeschlagen gingen wir zurück zu Joana, die nicht sonderlich überrascht über diese Antwort war. Nun schickte sie uns aber in die andere Richtung, zu «Simon» vom Laden «mi pequeña patria». Ohne grosse Hoffnung sprachen wir den Herrn im Laden an und siehe da, er meinte, natürlich habe er Simkarten und wenn wir wollten, gleich auch noch Telefons dazu. Es folgte eine Stunde, in welcher Simon für uns die Aktivierung der Karte am Helpdesk mit AT&T übernahm, deren Customer Service anscheinend in Bogotà, Kolumbien, sitzt. Wir waren sehr froh darum, denn mein Spanisch hätte hier das Ganze wohl noch sehr verlängert. In den Gesprächspausen, während denen der Customer-Service-Mann am anderen Ende an seinem PC arbeitete, konnten wir mit Simon ein wenig über Culebra, seine Veränderungen seit Irma und Maria (Irma war für Culebra schlimmer, denn sie ging ganz knapp nördlich der Insel durch, während Maria weiter im Süden war und dann vor allem Puerto Rico traf), die Stromversorgung der Insel (via Kabel von Puerto Rico aus, sowie mit Not-Generatoren auf der Insel und auch zunehmend mit Solarstrom wie z.B. auf den Dächern der Schulen), die Wasserversorgung (Via Rohr von Puerto Rico aus. Die Entsalzungsanlage im Norden der Insel war irgendwann stillgelegt worden – Simon versteht nicht, wieso), und ich wollte gerade zur Abfall- und Abwasser-Entsorgung gelangen, als eine andere Kundin mit Fragen hereinkam und unser Gespräch unterbrochen war. Schade – Simon hätte da sicher gut Auskunft geben können. Auch so war es schon interessant gewesen und endlich war es auch möglich, mit jemandem zu sprechen, der wirklich die Verhältnisse vor Ort kennt und versteht. Wir waren also danach nicht nur um eine Simkarte mit 10GB Daten reicher (ok, und um 75 USD ärmer), sondern auch um einige neue Informationen und Erkenntnisse über diese so schöne Insel.
Weil es noch immer zu früh schien, um im zweiten Supermarkt einzutreffen, gönnten wir uns in «Zaco’s Tacos» ein kühles Passion-Fruit Ale. Das war zu meiner grossen Überraschung überhaupt nicht süss und sogar Bänz genoss es. Zaco’s Tacos ist absolut empfehlenswert – von vorne nicht wirklich sichtbar hat es hinten einen kleinen mehrstöckigen «Garten-/Veranda»-Bereich, mit Holztischchen, schattig, luftig, gedeckt gegen Regenschauer und von grün umgeben – genau das, was wir gesucht hatten. Und natürlich gackern auch hier die Hühner umher.
Zum Schiff gings dann mit unserem Einkauf aus den beiden Supermärkten zurück – sehr zufrieden mit uns und der Welt, auch wenn der geplante Spaziergang der Hitze (sobald man im Windschatten ist) zum Opfer gefallen war.
Am Dienstag hoben wir den Anker wieder. Er hatte sich so richtig tief eingegraben und hätte wohl noch ganz andere Windstärken gehalten. Kommentar Skipper: «der war wie einbetoniert». Genau gegen die 17-22kn Wind ging’s dann zwischen den Bojen mit viel Stampfen hinaus aus der Bucht, bis wir endlich ein wenig abfallen konnten und noch immer mit viel Gas aber nicht mehr ganz genau gegen die Wellen um die Ecke in Richtung Culebrita steuern konnten. Es ist für Segler eines der unangenehmsten Gefühle, wenn man sich der scharfen Zähne der Riff-Felsen nur ein-zwei-hundert Meter im Lee bewusst ist, und sich ausmalt, was geschieht, wenn der Motor plötzlich abstirbt. Das kann unter Segeln fast nicht passieren und aus diesem Grund war es mir auch immer in Segelflugzeugen wohler gewesen als in kleinen einmotorigen Kisten, als solche Flüge häufiger vorkamen. Nun, unser Yanmar hielt brav durch und brachte uns wohlbehalten zur kleinen Insel Culebrita im Nordosten von Culebra. Die Einfahrt dort ist navigatorisch interessant bei ruhigen Verhältnissen. Bei unseren Bedingungen war sie ein Training für die Nerven der Steuerfrau und für die Beinmuskulatur des Skippers, der zwischen Kartentisch, Plotter und Cockpit rauf und runter poppen musste. (Von oben konnte man die Anweisungen aus dem Schiffsbauch nicht hören – Wind macht ja bekanntlich viel Lärm.) Rechts schäumte das eine Riff, links schauten die Felsen schwarz aus dem Wasser, die ca. 2m hohen Wellen kamen teils brechend von links und wollten uns aufs Riff rechts schieben und vorne sah es aus, als ob dann sehr plötzlich Ende Wasser sei. Nun war mir klar, warum ich irgendwo gelesen hatte, man solle hier bei unsicherem Wetter nicht hin. Unser Wetter war aber nicht unsicher – es war klar, dass weiterhin Ostwind in ungefähr der gleichen Stärke herrschen würde. Und plötzlich, wenige Meter bevor wir die drei ausgelegten Bojen erreichten, von welchen 2 schon besetzt waren, wurde das Wasser wieder ruhig. Immer wieder erstaunlich, wie kleinräumig sich die Verhältnisse in solchen Buchten ändern. Wir machten an der Boje ganz im Westen der kleinen Bucht fest. Sie hat ca. 3.3-3.5m Wasser darüber und liegt zusätzlich hinter dem Riff der Westseite. Wir stellten fest, dass wir im Vergleich zu den anderen beiden Booten hier deutlich weniger Schwell hatten.
Die Bucht von Culebrita ist wirklich wunderschön. Die absolut typische Karibik-Insel mit weissem Sand, grünen Palmen und anderem Gebüsch, türkisblauem Wasser, mindestens einer ansässigen Wasserschildkröte, einer Ziege und dem Leuchtturm an Land – sonst nichts. Sie ist ein Naturreservat. Unsere Recherchen hatten aber ergeben, dass es nicht verboten zu sein scheint, dort auch über Nacht zu bleiben. Auch wenn die Bojen mit «for day use only» angeschrieben sind. (Wir beschlossen, dies ausnahmsweise als 24h zu interpretieren).
Der Schnorchelgang bald nach dem Festmachen war dann eher enttäuschend. Einerseits, weil das Wasser auch hier trüb mit sehr viel Sediment war, und andererseits weil es auch am Riff nicht all zu viel Spannendes zu sehen gab. Aber vielleicht war das auch, weil wir uns nicht so weit hinaus trauten bei dem Wellengang. Die Besichtigung des Felsenhakens unserer Boje gab uns aber recht viel Sicherheit, dass dies wohl auch so gut wie unser Anker halten sollte (wir hatten keinen Spielraum – auch das sah man gut mit der Taucherbrille).
Wiedereinmal war es im Windschutz des Sprayhoods am Gemütlichsten am Abend. Die Sterne kamen heraus, der Lichtschein des Leuchtfeuers von Culebrita blitzte gelegentlich über dem Hügel auf, die kleinen Wellen plätscherten am Bug und Rumpf von Sea magiX. Nur gelegentlich raffelte die eine oder andere der beiden Festmachertrossen am Bug. Ein schöner Abend, auch wenn der noch immer starke Wind und der Tanz des Bootes für Unruhe sorgten.
Am Mittwochmorgen verliessen wir die Bucht entlang unserem Track am Plotter vom Hereinkommen. Trotzdem spürte ich die Anspannung sehr deutlich, als sie im tieferen Wasser wieder nachliess. Es ist einfach ein eindrückliches Bild, wenn es links so brodelt und die Wellen von rechts einen in den schäumenden Hexenkessel schieben wollen. Kaum draussen konnten wir ein wenig Genua ausrollen und segelten dann der Nordküste Culebras entlang westwärts, in Richtung Puerto Rico. Wir kamen an endlosen einsamen Sandstränden vorbei – wunderschön. Auch die Flamingo Bay gehört dazu; das ist die Bucht, die für alle Touristen auf Culebra als «must-see» angepriesen wird. Und wir können uns gut vorstellen, dass sich das tatsächlich lohnt; weisser Sand, grüne Palmen, blaues Meer…
Weiter ging es zwischen Felsen und Inselchen hindurch westwärts bis zur Insel Palomino (Palominito wäre südlich davon gewesen, aber die liessen wir aus). Dort fanden wir ganz ruhiges Wasser und echten Windschutz, der sogar so weit geht, dass sich ein «Wind-Neerstrom» bildet. Wir ankerten relativ nah am Land aber noch immer bei genügend Tiefe, unter anderem wegen einer grossen grauen Motorjacht, die nah an den Bojen lag. Bald legte sich Sea magiX völlig quer zur vorherrschenden Windrichtung, aber kein Problem, so hält der Anker noch besser.
Auch hier war das Schnorcheln eher enttäuschend wegen des trüben Wassers, obwohl es mitten in der Bucht eine Untiefe gibt, die extra als Taucher- und Schnorcheldestination bezeichnet wird (und um welche sich die «dive only» Bojen scharen). Umso interessanter fanden wir es danach dann, einem französischen Katamaran zuzuschauen, der insgesamt vier Bojenmanöver an verschiedenen Bojen durchführte. Mindestens zwei davon waren durch das grosse Motorschiff verursacht, welches den Kat von der einen Boje wieder weggeschickt hatte. Wir wissen nicht wieso, aber nehmen an, dass die Motorjacht ihren Anker dort zu nah darunter gelegt hatte. Hmmmmm, ich weiss nicht, wie mein Skipper darauf reagiert hätte…
Während der eine oder andere Schauer über uns und vor allem über Puerto Rico hinwegzog, liessen wir den schönen Segeltag ausklingen, genossen nach dem Schnorcheln erstmals seit x Monaten wieder eine Quicksoup an Bord und danach bald einen Sundowner-Rosé und kosteten die anbrechenden letzten Stunden am Anker dieses zweiten gemeinsamen Abschnitts aus. Der Abschied naht und wir wollen alle Eindrücke, Erinnerungen und Erlebnisse in uns aufsaugen und für immer erhalten.