Paläste, Parks und Brücken in Sevilla

Wir haben eine weitere Stadt ins Herz geschlossen; Sevilla hat uns mit seinen grosszügigen Alleen, grünen Parks, prunkvollen Palästen, aber auch mit der quirligen Altstadt und nicht zuletzt mit seiner beeindruckenden Velofreundlichkeit total um den Finger gewickelt. Trotz der Hitze und der etwas aufwändigen Flussfahrt auf dem Río Guadalquivir.

Der Guadalquivir schlängelt sich auf ca. 50 SM, d.h. ca. 100km von Chipiona bzw. Bonanza am Meer her zuerst durch weite Marschlandschaften mit Salinen. Die einzige Abwechslung hier kommt von den lebensmüden Fischen, die reihenweise aus dem Fluss in die Luft, bzw. wenn sie Pech haben an die Bordwand von sea magiX springen. Das knallt dann jeweils beachtlich und muss mindestens zu Kopfweh bei den Fischen führen.

Ab etwa der Mitte der Strecke beginnen Bäume und Sträucher das Ufer zu säumen und wir kommen immer wieder an schönen Höfen vorbei. Die Strecke ist sehr gut betonnt und hat auch diverse Leading Lines. Trotzdem bin ich froh, dass wir sie nicht nachts befahren, denn im Wasser schwimmt doch auch einiges an Treibholz, und auch die Strömung richtig einzuschätzen fände ich im Dunkeln schwierig.

Kurz bevor wir oben bei der Boje Nr. 71 und der Abzweigung zur Schleuse ankommen, sehen wir vor uns ein AIS-Signal eines Boots mit Call Sign HBY. Es ist tatsächlich eine Schweizer Jacht mit Romands, auch wenn sie «Petzi» heisst und wir deshalb auf Deutschschweizer getippt hätten. Wo sich die Schweizer alles treffen – spannend! Sie ankern gleich bei der Abzweigung, denn sie wollen am Mittwochabend durch die Schleuse und die Brücke zum Yachtclub. Wir fahren noch ein paar hundert Meter weiter und kommen dann zum zweiten Stromkabel in diesem Arm, ganz kurz vor dem Yachtclub Gelves.

In der Karte und in Navionics ist die Höhe des Kabels mit 16.5m angegeben. Unser Mast braucht bekanntlich 18m. Und wir sind – um mit dem Strom zu fahren – kurz vor Hochwasser hier. Das könnte schwierig werden! Aber in den Kommentaren online haben diverse Segler gemeldet, dass das Kabel 19m statt der angegebenen 16.5 habe. Darauf hoffen wir. Bänz steuert sea magiX ganz langsam ganz weit ans linke Ufer, wo der Mast näher steht und das Kabel höher hängt. Die Strömung zieht sea magiX vorwärts; der Skipper hat rückwärts eingekuppelt und so schieben wir uns zentimeterweise ans Kabel heran. Gleichzeitig ist ein anderes Boot, eine Ketch mit etwas weniger Masthöhe als wir daran, am anderen Ufer ebenfalls durchzufahren. Wir können bei ihr sehr gut beobachten, dass sie mehrere Meter Platz hat nach oben. Ob es bei uns reicht? Zentimeter um Zentimeter gleiten wir vorwärts, beide mit gespanntem Blick nach oben. Die Vögel werden vom ungewohnten vorbeiziehenden Mast aus den Bäumen gescheucht, dann passiert der Mast das erste Kabel fast genau bei der Kugel und Bänz meint trocken «Meterweit Platz!». Naja, auch hier wieder: so viel ists nicht, aber es reicht und nach einigen gespannten Minuten können wir erleichtert zum etwas klapprigen Flusssteg der Marina Gelves fahren, wo der Skipper sea magiX im Strom in eine genau passende Lücke manövriert.

Wir sind deutlich vor Hochwasser hier – die eine Tide hat sehr komfortabel für die Flussaufwärts-Fahrt gereicht. Nur abwärts wird’s schwieriger, weil wir dem Hochwasser dann quasi entgegen fahren und statt 9 Stunden mitlaufenden Strom jeweils nur ca. 4 haben und dann das nächste Hochwasser abwarten müssen.

Mit dem vorhandenen Schlauch wird gleich Boot und Crew abgespritzt (es ist richtig heiss hier), dann geniessen wir den Nachmittag im Schatten, recherchieren über Sevilla was wir sehen wollen und erforschen die nächste Umgebung. Die Marina ist klein und familiär. Wegen des häufigen Versandens ist sie das Innenbecken für Segler wohl eher weniger geeignet. Zudem kommt dort auch die leichte Brise vom Fluss nicht hin. Am Aussensteg, der zwar etwas baufällig wirkt, aber während unseres Aufenthalts gerade Aufbesserungsarbeiten erfährt, haben wir jedoch immer absolut genug Wassertiefe (bei NW noch immer mehr als 4.5m) und der Wasserschlauch sowie auch Strom sind ebenfalls bequem verfügbar. Zudem gibt es etwas Schatten durch die Bäume am Ufer, wobei die wohl auch für Blätter und Staub an Bord sorgen wenn man länger bleiben würde. Inzwischen ist die Marina auch auf Wohnmobile ausgerichtet. Das bringt ihr sicher mehr Einkommen, überfordert aber wohl in der Hochsaison die Toilette und Dusche (je 1 für Männer und Frauen). Für uns und jetzt im September passt es hier aber bestens (und ist übrigens auch noch sehr viel günstiger) und wir melden uns sogleich ab vom Club Nautico, für den wir eben auch durch Schleuse und unter selten geöffneter Brücke durch müssten.

Am Mittwochmorgen geht’s dann los mit dem Stadtbus Nr. 140 von der Haltestelle gleich vor der Marina in Richtung Sevilla. Dort wollen wir in der nahe gelegenen Metrostation eine One-day-Travelcard erstehen, um die Stadt mit dem ÖV erforschen zu können, stellen aber fest, dass es dies für einen Tag hier nicht so gibt wie in Portugal, sondern nur mit Prepaid-Guthaben. Stattdessen greifen wir drum auf unser altbewährtes System zurück, um einen Überblick zu bekommen, und stellen uns gemeinsam mit vielen anderen Touristen in die Schlange für den Hop On – Hop Off- Bus. Das funktioniert dann bestens und wir können bequem vom luftigen Oberdeck aus – im Freien ohne Covid-Maske – einen ersten Eindruck von dieser Stadt gewinnen. Wichtige Stichworte sind: Paläste, Parks, Paläste, Brücken, Expo (1992)-Gelände, Paläste, Altstadt, Kathedrale, Plaza España und wieder Paläste.

Beim anschliessenden Altstadt-Spaziergang bestaunen wir gefühlt jedes zweite Haus, das reich verziert, oft im maurischen Stil, mit schönen Balkonen, farbigen Kacheln (die Balkone sogar von unten mit farbigen Kacheln) und viel Renovationsaufwand repräsentierend da steht. Die Einkaufsstrassen werden vor der heissen Sonne mit Sonnensegeln geschützt, an den Tischchen der Bars und Taperias treffen sich Einheimische und Touristen zum Schwatz im Schatten, Strassenmusikanten geben ihr Bestes (nicht überall gleich erfolgreich – unvergesslich der ältere Herr, der einen grossen Lautsprecher vor sich her schiebt und ab und zu völlig Harmonie- und Bezugs-los ein paar Töne auf seiner Trompete trötet. Seine fröhliche Unverfrorenheit erntet die Sympathie und damit ein paar Cents der Umstehenden.) und gelegentlich klappert eine Pferdekutsche vorbei.

Die Schlange vor der Kathedrale bei 34 Grad im Schatten schreckt uns vor einem Innen-Besuch ab, dafür besuchen wir die El Salvador-Kirche mit ebensoviel Prunk und ohne Schlangestehen. Das Altarbild von St. Ana, die ihrer Tochter Maria das Lesen beibringt, hat es mir besonders angetan: Bildung für Frauen.

Im riesigen Park «Maria Luisa» von der Weltausstellung 1929 (von der Sevilla unzählige Pavillons im Stil der früheren Kolonien geblieben sind, welche heute teils verfallen, teils als Uni- und andere öffentliche Gebäude genutzt werden) gibt’s eine erholsame Siesta im schattigen Gras, bei der nur die sehr lauten von uns so getauften «Kreisch-Vögel» im Papagei-grünen Federkleid ein wenig stören. Als wir dann zur Plaza de España gelangen, wird die gerade abgesperrt: für das abendliche Konzert wird gerade die Tribüne aufgebaut. Naja, dann eben morgen.

In einer Bar am Fluss noch gemütlich einen kühlen Drink und bald geht’s dann zurück nach Gelves. Die Busfahrerin kennt uns schon und freut sich, dass wir die €3.30 für die Fahrt (für beide) schon korrekt bereit haben. Morgens hatte sie wegen der zuerst angebotenen 20-Euro-Note noch die Hände verworfen. Auch sie freut sich über lernfähige Kunden 😊.

Die Stegdusche im Bikini mit dem Schlauch zurück beim Boot ist dann eine absolute Wohltat; wie wäre das hier nur im Juli oder August? Nicht auszudenken für uns Nordländer, auch wenn ich gerne warmes Wetter mag!

Für Donnerstag hat der Skipper die Fahrräder aus der Rumpelkammer geholt. Wir hatten am Vortag die Radwege in der Stadt bemerkt und zudem findet der Skipper, Laufen sei viel heisser als Pedalen. Ich bin etwas weniger begeistert, aber das liegt vielleicht auch an meinem etwas weniger komfortablen Velo 😉. Der fast durchgehende, sehr feudal angelegte Radweg von der Marina in Gelves bis ins Stadtzentrum von Sevilla hilft dann aber, mich umzustimmen. Da wurde sogar extra eine Brücke über die Autobahn für die Zweiräder gebaut! Und auch über den Fluss geht’s via eine separate Brücke, getrennt vom starken Autoverkehr. In der Stadt führen die grün oder rot bemalten Wege vorbei an den grossen Verkehrsadern und auf Google Maps werden Routen unter Berücksichtigung der Velowege angegeben. Auch wenn hier wirklich viel Platz zur Verfügung steht; da können wir uns in der Schweiz wirklich eine Scheibe davon abschneiden wenn wir den Stadtverkehr entlasten wollen!

Auch am Donnerstag bestaunen wir wieder Paläste, diesmal insbesondere das riesige halbrunde Regierungsgebäude an der Plaza de España (mit kleiner Flamenco-Show und Bänzs Bemühungen, Castañetten zu beherrschen), suchen und finden den Alcázar-Palast näher als wir erwarteten (und wieder mit abschreckender Schlange), geniessen wieder zwei montaditos (kleine Sandwiches) und ein Radler (ich staunte nicht schlecht, als ich mein aus dem Wörterbuch herausgesuchtes Wort «una clarita» anbringen wollte und die junge Serviererin zurück fragte «un Radler?» Die Flaschen von Cruzcampo sind tatsächlich so angeschrieben!) und fahren dann entlang dem Fluss auf dem feudalen Veloweg zur Alamillo-Brücke, die von Santiago Calatrava – wie viele andere moderne Bauten am anderen Flussufer, die aber grossteils leer und verfallend wirken – für die Expo 1992 gebaut wurde. Die Brücke hat uns schon am Vortag sehr imponiert, mit ihrem einzigen, mehr als 140m hohen schrägen Trägerpylon. Und… sie hat ebenfalls eine eigene, vom Autoverkehr getrennte Velospur.

Mit vielen Fotos, unzähligen Eindrücken von dieser faszinierenden Stadt, einem allmählich etwas wunden Hintern und grossem Durst treffen wir abends dann wieder bei sea magiX ein und stellen uns sogleich unter den Wasserschlauch. Welch Luxus nach diesem spannenden und wieder heissen Tag!

Die Abendberatungen im noch immer warmen Cockpit unter schönstem Sternenhimmel ergeben dann, dass wir lieber schon am Samstag und nicht erst am Sonntag wieder nordwestwärts segeln möchten, da es am Sonntag stärker aus genau jener Richtung blasen soll. So wird wieder zusammengepackt, die Velos in der Rumpelkammer «versenkt» und der Wecker gestellt, um am Freitagmorgen mit dem ab ca. 06:30h ablaufenden Wasser (aber erst bei erstem Tageslicht etwa um 07:30h) wieder Fluss-abwärts zu fahren. Es stehen uns nochmals etwa 8-9 Stunden Flussfahrt, wohl vor allem motorend, bevor. Aber eines ist klar: Sevilla ist es absolut wert!


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