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Französisch Guyana: Iles du Salut, Kourou und St. Laurent du Maroni

Motto: „café au lait“. Einerseits, weil wir wieder im Land der accent aigus und graves sind, und man hier dieses Getränk auch so wieder auf Menükarten sieht, und andererseits weil die Farbe hier stark dominiert. Sowohl das Wasser als auch das Ufer zeigen sich häufig in diesen Tönen; jedenfalls in Festlandnähe.

Bei den Iles du Salut hat das Wasser eher die Farbe Aquamarin, oder Jade. Ein hellgrüner und undurchsichtiger Ton. Trotzdem – wir haben es genossen, vor der Ile Royale am Anker morgens und abends in dieses undurchsichtige Wasser zu springen und uns abzukühlen, bzw. die Sonnencrème abzuwaschen.

Wir ankerten vor der Ile Royale vom 17. bis am 19.1. und dann nochmals kurz, nachdem wir mit dem Hochwasser aus dem Kourou River gekommen waren, bevor wir zur Nachtfahrt nach St. Laurent du Maroni aufbrachen.

Die Eindrücke, die wir von den beiden Iles du Salut mitgenommen haben, die wir besuchten (die Ile de Diable im Norden kann nicht besucht werden – zu schwierig wäre die Landung in der starken Strömung und Brandung dort), waren grösstenteils von karibischer Flora, unzähligen Agutis, einigen Makaken-Äffchen, einem grossen Leguan und auf der Ile Royale diversen Pfauen-Familien, von denen niemand uns den Gefallen tat, mal das Rad zu schlagen.

Die Überreste der Zeugnisse der brutalen Gefängnisgeschichte auf beiden Inseln werden allmählich von der Natur wieder überwachsen. Ein Eindruck von Zerfall und Vergänglichkeit herrscht vor. Der wird noch verstärkt durch die unklare Situation mit dem Hotel/Restaurant dort; an unserem Ankunftstag hatte das Hotel gerade mal 2 Gäste plus 2 Gendarmes, die für je 2 Monate hierher und dann nach Kourou versetzt worden sind. (Was die wohl ausgefressen haben, um hier ins Niemandsland geschickt zu werden?). Das Gebäude ist eingerüstet und erhält ein neues Dach, aber mittags wird die Eingangshalle trotzdem geöffnet, denn dann findet im Restaurant davor ein Mittags-Buffet statt, um die Touristen von den normalerweise eintreffenden zwei Touristenkats zu verpflegen. Zur Feier des Skippers Geburtstags genossen auch wir am Samstag dort das Mittags-Buffet.

Auf der Ile St. Joseph befanden sich die Gefängniszellen, die heute ebenso zerfallen und überwachsen werden, wie die diversen Unterhaltsgebäude. Ist ja auch verständlich und normal: Frankreich hat wohl nicht das grösste Interesse daran, in diese Bauten zu investieren, während das Budget an allen Ecken und Enden für Dringenderes (und politisch leichter zu Verkaufendes) fehlt. Es herrscht eine eigentümliche Stimmung: riesige Spinnen, emsige Ameisen, diverse Vögel, die man hört aber als ungeübter Beobachter nicht sieht, und ganz viel Grün in allen Schattierungen, und dann diese zerfallenden, traurigen und grausamen Gebäude.

Wir genossen die 2.5 Tage dort am Anker sehr; räumten auf nach der Atlantiküberquerung, schliefen ein paar Stunden nach, kümmerten uns um viel Administratives, das zwei-drei Wochen lang liegen geblieben war und genossen wie erwähnt den gelegentlichen Sprung ins kühlende Wasser.

Am Sonntagnachmittag, 19.1., segelten wir mit leichtem Wind die ca. 5 SM nach Süden zum Eingang des Kourou Rivers. Bei dem steht in der Karte und im Pilot, dass der Boyenkanal auf 2.3m Tiefe ausgebaggert werde. Da Kourou der Standort der ESA (European Space Agency), bzw. des CSG (Centre Spatial de la Guyane) ist, nehmen wir an, dass das Offenhalten des Fluss-Zugangs wichtig genug ist, dass man sich auf die Kartenangaben verlassen kann. Aber es wurde trotzdem sehr knapp: obwohl wir zusätzlich zu den angegebenen 2.3m Wassertiefe noch eine Gezeitenhöhe von ca. 1.8m haben sollten, zeigte das Echolot ab und zu deutlich weniger als 3m, und einmal rutschte es zu meinem grossen Schreck sogar auf 2.3m hinunter… Unser Kiel hat einen Tiefgang von 2m. Da blieb nicht mehr viel Platz!

Zum Glück war wenig Wind und die Wellen wurden da schon von den rechts und links angeschobenen Sand- und Geschiebebänken abgehalten. Trotzdem – wie froh war ich, als wir nach der Barre wieder in „tieferes“ Wasser von ca. 4.5-5m kamen!

Die ganze Küste hier, viele hundert Meilen weit nördlich des Amazonas, ist extrem flach, weil der starke Guyana-Strom (und der Aequatorialstrom) sehr viel Geschiebe aus dem riesigen brasilianischen Fluss mit nach Norden tragen und hier ablagern. Bis weit hinaus ist es knappe 10m tief (mit entsprechenden Wellen) und sowohl der RCC Pilot, als auch die Karte empfehlen, einen Mindestabstand von 20 SM zur Küste zu halten, wenn man ihr entlang segelt.

In Kourou angekommen liessen wir den Anker im Ankerfeld unweit des Marinastegs fallen. Im Ankerfeld liegen derzeit etwa 5-6 Boote, alle in unterschiedlichen Stadien des Zerfalls, und wohl alle bewohnt von Menschen wie „Flo“, der uns freundlich begrüsste, bereitwillig Auskunft gab über Dinghy-Gepflogenheiten (am Steg anschliessen, aber am Boot sei es in Sicherheit, nur der Aussenborder sei evtl. besser an Bord zu nehmen), Wasser (kann man problemlos vom Steg in Flaschen abfüllen und an Bord nutzen) und andere Tipps, und davon erzählte, wie er bald nach Venezuela segeln werde, um dort einen Freund zu treffen… mit einer Segelboot-Ruine, die wohl nicht mal ungeschoren bis zur Flussmündung käme.

Zügig ging es ans Dinghy-Aufblasen; wir wollten gerne noch vor dem Eindunkeln die Gegend an Land erkunden. Die Dunkelheit fällt jedoch schnell und in dieser Gegend absolut; Strassenlampen gibt es nur wenige, die dann die Schatten darum herum umso schwärzer erscheinen lassen. Noch in der Dämmerung konnten wir sehen, dass auch am Marinasteg die Plätze durch Boote in verschiedenen Zerfalls-Zuständen besetzt sind. Aber man kann problemlos Wasser tanken mit Kanistern und am Ende des Stegs ist sogar ein Sanitäranlagen-Gebäude mit einem offenen und durchaus sauberen WC, inkl. WC-Papier.

An Land, mit dem Benzinkanister in der Hand, weil das allmählich zur Neige ging und bei der starken Flussströmung ziemlich wichtig ist, staunten wir nicht schlecht: wir wurden direkt mit sehr lauter Musik und einer tanzenden, hüpfenden, Parade empfangen. Das wäre nun wirklich nicht nötig gewesen, so viel Aufwand für unsere Begrüssung zu treiben! 😉

Mit der Zeit schälte sich die Erklärung aus dem unglaublichen Lärm heraus: hier wird von Januar bis März der Karneval gefeiert! Stundenlang tanzten die Frauen in ihren farbig glitzernden Kostümen mit Kopfschmuck aus Karton und Alufolie vor dem Lautsprecherwagen ihre Choreo(s), ebenso lang trommelten die Männer dahinter auf ihren Ölfässern (so sahen die Instrumente für uns im Dunkeln jedenfalls aus) und Trommeln, während die Zuschauer wie wir sich ein Tischlein vor einer der Verpflegungsbuden suchten und dem Treiben zuschauten. Es war unmöglich, sich zu unterhalten, aber da wir beide ja ziemlich müde waren, war das auch nicht so tragisch.

Auf dem Rückweg durch die dunkeln Strassen wurde uns bewusst, dass wir hier vielleicht etwas blauäugig in dem Viertel unterwegs waren und ich nahm mir vor, in Zukunft nicht gleich alle Wertsachen so einladend in mein Bauchtäschlein zu packen, sondern die Kreditkarte und ID separat in einer Shortstasche zu haben und vielleicht nur das Ersatzhandy mitzuführen. Mal wieder ein Anfängerfehler… aber es ging alles gut und wir waren da vielleicht ein wenig zu misstrauisch aufgrund der undurchdringlichen Dunkelheit und der trotzdem offensichtlichen Armut der Hütten und Häuser um uns herum.

Nach Kourou waren wir ja hereingefahren, weil wir unbedingt den „Centre Spatial de Guyane“, bzw. den Europäischen Weltraumbahnhof besuchen wollten. Unterwegs hatten wir schon zu unserem Leidwesen herausgefunden, dass die Führungen durch das Gelände seit etwa einer Woche ausgesetzt worden waren. Bis zum nächsten Launch der Ariane 6 Rakete, von dem man aber noch nicht mal eine ungefähre Ahnung hat, wann der stattfinden soll. Bei einer so grossen und kommerziell wichtigen Rakete will man offensichtlich auch das kleinste Risiko frühzeitig ausschalten. Schade! Aber auch das Museum interessierte uns sehr und so waren wir bereit, am Montagmorgen die ca. 3.5 km gemäss Google Maps dort hin zu laufen. Wir fuhren mit dem Dinghy zum Zollsteg, der dem CSG etwas näher liegt, und durften dort bei einem sehr netten Arbeitsbootbesitzer längsseits gehen. Als der sah, dass wir mit dem noch immer leeren Kanister (Sonntagabends haben Tankstellen in Kourou geschlossen) losmarschieren wollten, bot er uns spontan an, von seinem Benzin im Auto zu bekommen. Er hätte es uns wohl sogar geschenkt, aber nahm dann doch den Gegenwert von 2 Bieren an dafür. So nett!

Am Weg zur Hauptstrasse kamen wir an einer Bude vorbei, die lauter Dinge à louer anbot. Einer Eingebung folgend gingen wir fragen, ob zum Angebot eventuell auch ein Auto gehörte. Es war erst ca. 09:30h aber der Schweiss lief uns in dem tropisch feucht-warmen Klima schon von den paar Metern Spaziergang in Strömen über den Rücken herunter. Und siehe da – wir konnten einen kleinen Citroën 101 für 45 € für 24 Stunden mieten. Die Kaution hätten wir in Bar mit 500 € hinterlegen sollen, die wir natürlich nicht so einfach dabei hatten. Aber nach einer kleinen Diskussion war der Vermieter auch bereit, des Skippers ID als Hinterlegung zu akzeptieren. Beschwingt und sehr viel bequemer als zu Fuss gings dann deutlich zügiger zum Weltraumbahnhof als erwartet. Es wäre weit gewesen für den Fussmarsch!

Das Space Center hat eine wirklich interessante Ausstellung zur Geschichte und dem Funktionieren des Weltraumbahnhofs. Eindrückliche Videos von Raketenstarts und gut gemachte plastische Nachbildungen der Installationen entschädigten uns für die Enttäuschung über die ausgesetzten Führungen durch die Anlage.

Wir verbrachten mehr als 2 Stunden dort vor Ort, bevor sich allmählich der Hunger zu melden begann und wir uns auf unsere diversen weiteren Vorhaben besannen: Wäsche waschen nach der Atlantikquerung, Einkaufen im Super-U, eine Sim-Card besorgen und auch noch etwas von Kourou by day sehen, nicht nur im Karnevalsmodus by night. Allerdings – jetzt haben wir ein Auto gemietet; wir könnten es auch nutzen, um nach Cayenne zu fahren und etwas mehr von diesem Land zu sehen…? Wir einigten uns mal darauf, das Benzin und Wasser zum Schiff und dann das Dinghy zum Marinasteg zu bringen, und dann von dort weiter zu schauen. Wäsche kann man auch später waschen. Dachten wir.

Mir war es lieber, mit dem Auto den Weg zurück zu suchen, als mit dem Dinghy in dem stark strömenden Fluss unterwegs zu sein, zumal der Motor weiterhin unerwartete Aussetzer hatte. Da ist noch immer etwas irgendwo da drin ab und zu verstopft; der AB hing halt lange da hinten an der Reling und musste mitfahren, ohne selbst aktiv sein zu können. Das mochte er offensichtlich nicht so und liess es uns immer wieder durch diese Aussetzer spüren.

Als ich erfolgreich zur Marina zurück gefunden hatte und stolz auf den Steg hinaus spazierte, um den Skipper dort wie abgemacht abzuholen, bekam ich einen Schreck: sea magiX stand bzw. trieb quer zum Strom den Fluss abwärts auf die nächsten Ankerlieger zu. Ich konnte nur untätig vom Steg her zusehen, wie der Skipper vom Ruder hinten nach vorne zum Anker rannte und wieder zurück. Da war klar etwas nicht gut, und ich hatte keine Möglichkeit, zu ihm hinaus zu fahren, da ja das Dinghy an sea magiX Seite hing, wo Bänz es wohl schnell festgebunden hatte, bevor er sich um die wild gewordene sea magiX kümmerte. Glücklicherweise kam nach einigen Minuten ein Fischerboot voll mit grossen, schönen Fischen Flussaufwärts gefahren. Die zwei Männer reagierten schnell und hilfsbereit auf mein Winken, holten mich beim Steg ab und brachten mich lieberweise zu sea magiX. Dort hatte der Skipper unterdessen die Ankerkette und -Leine vom Schiff gelöst und mit einem, bzw. zwei Fendern ins Wasser gelassen. Unser Boot hatte sich mit dem Wind gegen Strom so stark selbst mit der Ankerkette um den Kiel gefesselt, dass Bänz das nicht mehr mit normalem Auswickeln lösen konnte. So blieb nur das vollständige Lösen und die Hoffnung, dass wir Leine, Kette und Anker dann wieder auffischen könnten. Es dauerte einen Moment, in dem die Fender mehrfach unter dem Boot verschwanden und gurgelnd auf der anderen Seite wieder auftauchten, bis wir tatsächlich frei waren. Puh, da hatte unser wendiges Boot ganze Arbeit geleistet! Wie unser Kiel wohl jetzt aussieht? Bzw. die Kielkante, an der die Kette wohl sehr intensiv gerieben hat? Wir werden es spätestens auf Trinidad dann wissen. Ich stelle mir gerade Abdrücke wie von einem grossen Gebiss vor. Wir werden sehen… Mit dem Bootshaken konnten wir die Fender und damit die Ankerleine wieder an Bord holen und danach – gegen den in der Zeit wirklich starken Strom – die Leine und Kette wieder einziehen, um dann neu zu ankern. Tja, und jetzt? So konnten wir das Boot nicht bei dem Wind nochmals alleine lassen; sea magiX würde zielsicher wieder zu segeln beginnen und sich bald in ihrem eigenen Anker verheddern. So ging ich eben alleine mit dem Auto auf Wäscherei-Suche, während der Skipper die Stromkenterung abwartete, ab welcher Strom und Wind wieder in die gleiche Richtung zogen. Eines war mal wieder ganz klar geworden: in Strömungsgewässern, in denen auch Wind bläst, ist ankern mit unserem segelfreudigen Boot schwierig bis unmöglich, weil der Wind viel stärker wirkt als bei schwereren Booten. Diese bewegen sich nicht so schnell wegen einer Brise und werden meist vom Strom mehr gehalten als vom Wind. Deshalb lockert sich ihre Ankerkette nicht so schnell, dass sie sich um ihren Kiel wickeln kann. Dafür segeln sie dann eben auch nicht ganz so leicht wie sea magiX, wenn das dann erwünscht ist… Me cha nid alles ha 😊.

Aus Cayenne wurde somit nichts. Und auch in der Nacht hielt der Skipper „Ruderwache“. Durch deutliches Ruderlegen stellte er sicher, dass unser Boot weg von der Ankerkette zog und nicht darauf zu bzw. darüber hinaus. So verhinderte er, dass wir darüber segelten und uns einwickeln konnten. Das machte wiederum eine weitere Erkenntnis klar: wir mussten gar nicht nach St. Laurent du Maroni segeln, wenn es dort keine freien Bojen gab, denn Ankern in dem grossen Fluss ist keine Option wenn da auch Wind bläst. Mit etwas Hängen und Würgen hatten wir an einem Automaten im „But“ (einem Einrichtungs- und Do-it-yourself-Laden) eine Simcard mit 300 GB Daten erstanden, die in den Französischen Antillen gilt und teilweise auch mit eingeschränkter Datenmenge in anderen Ländern dieser Gegend. (Nur leider nicht in Suriname – ist ja klar!) So konnte ich ohne grosse Kosten in der Marina SLM anrufen und nachfragen und bekam zugesichert, dass es noch immer freie Bojen habe und wir gerne kommen dürften.

So verliessen wir Kourou am Dienstagmorgen wieder, kurz nach Hochwasser, um mit genügend Gezeitenhöhe über die flachen Stellen an der Einfahrt zu kommen und dann nochmals vor der Ile Royale zu ankern und uns auf die nächste Nachtfahrt vorzubereiten. Es galt wieder vorzubereiten, zu kochen, etwas zu schlafen und auch noch ein letztes Bad im Aquamarin-Wasser zu nehmen.

Am frühen Dienstagabend, 22.1., gings dann los von den Iles du Salut nach Nordwesten. Es blies deutlich mehr Wind als angesagt, d.h. ca. 20 Knoten, und wegen der sehr lang sehr geringen Wassertiefe von um 10 m waren die Wellen beachtlich. In der Nacht trafen uns diverse Regenschauer mit teils Wind bis zu 30 Knoten, hinzu kam ein Strom von ca. einem Knoten und eben die Wellen – zum Glück war unsere Atlantikquerung nicht so gewesen! Es war eine bewegte und teils anstrengende Nacht. Der Mond versteckte sich hinter den dicken Regenwolken, das Wasser fluoreszierte um uns herum, die Wellen brachen immer wieder mal so am Schiff, dass wir eine Salzwolke abbekamen, dazu kamen die Regenschauer mit literweise Wasser und obwohl wir die Genua stark eingerollt hatten, waren wir eigentlich zu schnell unterwegs: auch für die Einfahrt in den Maroni-River wollten wir frühestens in der Hälfte der Gezeit dort sein, um genügend Gezeitenhöhe über der Barre und gleichzeitig einlaufendes Wasser zu haben. Bei einer Distanz von ca. 90 SM ist das nicht ganz so einfach zu timen, besonders wenn der Wind deutlich stärker ist als erwartet und angesagt.

Etwa 3.5 Stunden vor Hochwasser, dh ca. um 8h am Mittwoch, 22.1. waren wir dann schon an der Ansteuerungstonne und suchten den betonnten Weg in den Fluss hinein. Und obwohl wir aus meiner Sicht eigentlich zu früh da waren, reichte die Wassertiefe gut aus, diesmal. Das Echolot zeigte nie weniger als 3.4m. Was war ich froh darüber! Der Maroni River wird nach der Barre bald wieder tiefer und hat nur noch wenige untiefe Stellen danach. So konnten wir relativ entspannt im ruhigeren, typisch hellbraunen (café au lait) Fluss die weiteren 17 SM hinauf tuckern.

Links und rechts gab es nur Mangroven und gelegentlich ein einzelnes Bungalow.

Saint Laurent du Maroni kommt dann irgendwann linker Hand. Es liegt noch in Französisch Guyana. Auf der rechten Flussseite ist Suriname. Optisch unterscheiden sich die beiden Ufer nicht. Viel grün, einzelne Häuschen und Bretterbuden, dann wieder lange nichts ausser Gewächs.

Vor Saint Laurent liegt etwas, das aussieht wie eine kleine Insel. Ist es aber nicht wirklich, sondern das Wrack des 1924 gesunkenen Dampfers „Edith Cavell“. Seine Geschichte kann bei Interesse in Wikipedia nachgelesen werden. Heute erfüllt das Wrack eine nützliche Funktion als Strom- und Windschutz. Und bietet gleichzeitig vielen Vögeln und Insekten einen Lebensraum.

Wir wählten zunächst eine Boje direkt vor dem „Inselchen“. Sehr liebenswerterweise kamen Thomi und Julia in ihrem roten Dinghy helfen, um unsere Leine durch die weit unten liegenden Bojenhaken zu legen. Das wäre ohne ihre Hilfe wohl ziemlich knifflig gewesen. Schön, dass sie zufällig gerade losfahren wollten, zu ihrem etwas weiter unten verankerten Boot, und uns vorher noch ihre Hilfe anboten!

Am nächsten Morgen, dem Do., 23.1. begann mein Arbeitstag bald nach 09h morgens. Um 07h begann sea magiX, komische Aufsetz-Bewegungen zu machen. Oh nein – die Wassertiefe schien hier doch nicht zu reichen bei Niedrigwasser. Das Echolot zeigte zwar weiterhin 2.4m, aber die Bewegungen waren eindeutig. Sanft setzte der Kiel immer wieder im sandig-weichen Boden auf. Schnell waren wir beide draussen. Umparkieren, aber schnell!

Mit dem eigenen Dinghy fürs Einfädeln verlegten wir etwas weiter zur nächsten Boje. Die Kante der Untiefe hinter der Edith Cavell muss sehr steil und abrupt verlaufen. Kaum waren wir zwei/drei Meter weiter links, da zeigte das Echolot schon wieder 3m und mehr. Jetzt liegen wir am Rand des geschützten Gebiets hinter der Insel. Vom Land schallt laute Musik herüber. Ah ja, das Wochenende hat begonnen und damit der nächste Anlauf für den Karneval. Die Nachtfröschchen pfeifen, gelegentlich streunt ein Moskito vorbei (das Moskitonetz ist noch immer nicht fertig), aber glücklicherweise bläst sie die Brise weg. Inzwischen hat die Regensaison begonnen. Es regnet jeden Tag, oft intensiv, manchmal länger, manchmal kürzer. Die Farben werden noch stärker durch das café au lait des Flusswassers und das Grau des Himmels bestimmt, ausser wenn ab und zu die Sonne durch scheint. Das viele Regenwasser hat aber einen grossen Vorteil: wir können täglich viel Regenwasser sammeln und damit duschen, abwaschen, etc. Das Flusswasser ist übrigens hier auch Süsswasser. Aber hat halt viel Sediment.

Ich habe zwei Arbeitstage hinter mir, in denen ich von unserem 300GB-Guthaben inzwischen mehr als 15 GB genutzt habe. Holla, das läuft doch schneller als gedacht mit dem Verbrauch! Aber jetzt stehen eine Zeitlang keine Arbeitstage bevor und somit wird auch der Verbrauch weniger hoch sein.

Der Skipper nutzte die zwei Tage für diverse Erkundungstouren durch das Städtchen St. Laurent du Maroni. Diverse Stimmen, u.a. jene von Davide, dem Manager der Marina, warnten uns davor, zu weit Flussaufwärts in gewisse Viertel des Städtchens zu streunen. Das aber erst, nachdem wir schon dorthin gelangt waren auf der Suche nach einer Fähre über den Fluss. Wir wurden von allen Seiten von Pirogenkapitänen zur Fahrt hinüber „eingeladen“. Die Pirogen zirkeln hier in einem fort hin und her zwischen den beiden Ländern. Es war klar, dass wir hier in einem Teil des Orts waren, wo es im Dunkeln wohl nicht empfehlenswert wäre. Aber ganz so bedrohlich, wie Davide das beschrieb, fühlte es sich nun doch nicht an. Er erzählte, nur der Besitzer unseres Nachbarbootes fahre mit dem Dinghy dort entlang weiter Fluss-aufwärts, denn er habe immer seinen grossen Dobermann und auch die Knarre dabei. Schauermärchen? Wir wissen es nicht und können nicht genug abschätzen, wie gross das Risiko ist, dass sich die Märchen in Realität verwandeln. Wir gehen das Risiko lieber nicht ein, genau so wie wir auch in unserer Heimat nachts nicht unbedingt gerne in gewissen Quartieren unterwegs sind.

Naja, auf dem Rückweg hielten wir uns dann doch auch an die Hauptstrasse. Leicht überrascht waren wir auch über den Tipp des Marinamanagers, die Ruder nicht im Dinghy zu lassen. Wir sollten sie zum Marinaoffice bringen, wie auch alles andere, das wir normalerweise im Beiboot lassen würden (z.B. den kleinen Anker.) Julia, vom helfenden roten Beiboot, meinte später, das sei eher wegen der spielenden Kinder, die auf Dummheiten kämen, als wegen Diebstahls. Denn Kinder spielen hier sehr viele. Sie werden täglich mit den Pirogen in grosser Zahl von Suriname hierher zur Schule gebracht.

Das ist eine eigene Geschichte mit den Surinamesischen Schulkindern. Anscheinend gibt es ein Gesetz in Französisch Guyana, das besagt, dass Kinder, die hier zur Schule gehen, ein hohes Kindergeld erhalten. Bzw. deren Eltern. Das habe sich scheints zu einem „Geschäftsmodell“ entwickelt, das bewirkt, dass viele Familien auch auf der Surinamesischen Seite des Flusses auffallend Kinderreich sind. Denn auch sie erhalten dieses signifikante Kindergeld wenn sie ihre Kinder in St. Laurent zur Schule schicken. Und so werden jeden Morgen unzählige Kinder mit Pirogen über den Fluss geführt, um hier zur Schule zu gehen. An sich eine gute Sache, finde ich (bei Bildungsbemühungen bin ich ja sowieso immer dabei). Nur ob das so gedacht war, wie es jetzt gelebt wird?

Der Ort St. Laurent wirkt ähnlich auf uns wie Kourou. Offensichtlich ist die Blütezeit des Orts vorbei. Die herrschte wohl vor allem, als es das Gefangenenlager noch gab, von wo aus die Unglücklichen entweder zu den Iles du Salut verschoben wurden, oder hier zur Zwangsarbeit verurteilt waren. Mit jenen Arbeitskräften wurde viel Infrastruktur und Industrialisierung gebaut und betrieben. Das ist natürlich seit der Schliessung im letzten Jahrhundert vorbei.

Es gibt viele Chinesen-Supermärkte, diverse Minimärkte, an den Strassenecken sitzen ein paar Anbieter von Gemüse mit Schubkarren (unter dem Vordach, weil es jeden Moment stark regnen kann), der Markt war geschlossen als wir vorbei kamen und unsere Suche nach einem Coiffeur, der Zeit für uns hätte (den wir beide nötig hätten) war bisher erfolglos. Dafür entdeckte Bänz heute am zweiten Erkundungstag einen modernen, gut bestückten und in vielem überhaupt nicht überteuerten Carrefour hinter dem Fussballplatz. Von dem hatte uns noch niemand etwas erzählt. Nur, dass Davide jeden Tag zum Super-U fahre, der zu weit weg sei um dort hin zu laufen, und auch Marinagäste wie uns mitnehmen würde. Aber dass es einen guten Carrefour in Laufdistanz gebe, das war des Skippers ganz eigene Entdeckung. Stolz brachte er schönes Gemüse und ein schon etwas müdes Baguette mit. Und einen Eisbergsalat, welch Luxus! Der Luxus ist auch finanziell spürbar: der eine Eisbergsalat kostete €8.99… Aber man gönnt sich ja sonst nichts. Und er sieht wirklich schön aus. Wir freuen uns schon darauf!

Morgen gibt’s einen Pirogen-Ausflug auf dem Fluss und zu einem Amerindischen Dorf. Und am Sonntag wollen wir dann losfahren, in die „Criques“: Nebenarme des grossen Flusses, in denen man direkt mit dem eigenen Boot in den Mangroven- und Regenwald fährt und nichts anderes sieht als Regenwald und Tiere. Und eben auch Moskitos. Aber dagegen haben wir ja ein paar Argumente dabei. We will see – wir werden berichten, wenn auch vielleicht wieder mit Verzögerung.

Ausflug auf dem Maroni-River mit der Piroge

Trotz des Regenwetters hatten wir uns spontan für einen etwa halbtägigen Ausflug auf dem Fluss mit einem Guide und in der Piroge angemeldet. Unser Guide, Chuity Liba, erzählte viel und engagiert in schnellem Französisch. Wir waren zu siebt in dem flachen Boot mit starkem Aussenborder, brav mit Schwimmwesten ausgerüstet, und wurden zunächst vor St. Laurent entlang dem Ufer geführt (dort, wo wir gemäss Davide mit dem eigenen Dinghy nicht hinfahren sollten), dann zur früheren Lepra-Quarantäne-Insel und anschliessend auf der Surinamesischen Seite zu zwei Dörfern.

Das eine bewohnt von Amerindischen Menschen und das andere von «Marrons», d.h. den Nachfahren von freigelassenen oder entflohenen Sklaven.

Wir erfuhren einiges über die Kultur der beiden Völker und über ihre Lebensweise (vor allem der Vergangenheit). Auch die Verarbeitung von Maniok zu dem hier üblichen Fladenbrot «Cassaba» zeigte er uns.

Mit einigen neuen Eindrücken kehrten wir nach St. Laurent zurück und konnten noch kurz vor seinem Abbau auch noch eine Runde über den Samstagsmarkt drehen, wo viel schönes Gemüse zu fairen Preisen angeboten wird.

Inzwischen sitzen wir wieder unter der Regenblache an Bord und verarbeiten die Eindrücke und Bilder. Ein weiterer interessanter, lehrreicher und spannender Tag geht zu Ende.

Ein Marktfahrer erholt sich vom Samstagmarkt