Meine letzte Woche dieses Jahres an Bord von sea magiX ist geprägt von weiteren Flussfahrten. Ist ja auch nicht so verwunderlich in dieser Region: hier in der östlichen Sand-Algarve und im westlichen Andalusien liegen die Häfen, Marinas und Ankermöglichkeiten alle in Fluss-Deltas. Und einige davon, wie z.B. der Río Guadalquivir nach Sevilla, aber eben auch der Río Guadiana an der Portugiesisch-Spanischen Grenze sind weit landeinwärts schiffbar und vor allem auch reizvoll.
Von Sevilla ging’s Fluss-abwärts wieder bis Bonanza, wo wir nochmals an der grossen Boje festmachen konnten, die wir bei der Hinfahrt genutzt hatten. Unterwegs warteten wir am Anker an einer breiteren Stelle die nächste ablaufende Tide ab und staunten nicht schlecht, als ein grosses Kreuzfahrtschiff an unserem gemütlichen Ankerplatz vorbei zog. Viel Wasser unter seinem Kiel konnte der nicht haben!
Am Samstagmorgen gings dann bei Tagesanbruch wieder hinaus aufs Meer und sea magiX konnte auf dem Kreuzkurs gegen den Wind nach Mazagón in die Fluss-Mündung von Huelva wieder zeigen, was in ihr steckt. Hinter der 7SM langen Mole «Carlos Primero» im «Canal del Santo Padre» konnten wir unseren Anker tief im Schlick eingraben und trotz der starken Strömung bestens schlafen, während hier die grossen Frachter kamen und gingen.
Sonntags ging’s dann bei nochmals gutem Wind weiter nordwestwärts zur Mündung des Río Guadiana. Hier gibt es wie bei den meisten Flüssen eine seichte Barre bis recht weit hinaus und so ist es wichtig, dass bei der Einfahrt alles stimmt: es muss genug Gezeitenhöhe (also Wassertiefe) da sein, um sicher über die Untiefe zu kommen und der Strom, d.h. die Tide muss auflaufend sein, damit man nicht gegen 2-3 Knoten Gegenstrom ankämpfen muss. Bei einer Segeldistanz, die ca. 5 Stunden benötigt und je nach Windverhältnissen (z.B. wenn man kreuzen muss weil der Wind von vorne kommt) deutlich länger werden kann, ist dies manchmal eine etwas knifflige Aufgabe. Für uns ging es perfekt auf und wir kamen schön rechtzeitig etwa eine Stunde vor Hochwasser beim ersten Bojenpaar an, so dass wir knapp 3m zusätzliche Wassertiefe auf den ca. 2.5m auf der Barre hatten. Und da der Wind gerade so schön von hinten blies und der Strom noch eine Zeitlang flussaufwärts lief, liessen wir uns gleich einige Meilen weit hinauftragen, bis wir bei Foz de Odeleite für die Nacht an einem Steg festmachen konnten.
Wiedereinmal ging es unter einer Brücke mit knapper und unklarer Durchfahrtshöhe durch. Die Angabe in der Karte mit 18m würde um ca. 1m nicht für uns reichen, aber diverse Quellen hatten höhere Höhen angegeben. Bänz zielt genau auf die Mitte des Brückenbogens (was bei diesem Strom nicht ganz einfach ist) und wir nehmen die Segel nochmals etwas dicht, um zu krängen und es reicht… wenn auch nicht so klar ist, mit wie viel Spielraum.
Im Gegensatz zum Guadalquivir mit seinem flachen Marschland schlängelt sich der Río Guadiana durch ein eigenes, sanftes Tal mit abwechslungsreichen Landschaften. Die spanische Seite ist kurz nach Ayamonte an der Mündung fast unbewohnt und auch auf der portugiesischen sind die Dörfchen und Anwesen vereinzelt und teils fast ausgestorben. Beim kurzen Spaziergang durch Foz de Odeleite begegne ich nur einer einzigen Person. Die Häuser wirken teils verlassen und verfallend, teils wie Ferienhäuser gepflegt aber ebenfalls verschlossen. Die beiden Restaurants des Orts sind geschlossen – so wie’s aussieht nicht nur saisonhalber, sondern permanent. Eine Bauruine thront über allem und der Zerfall wird perfekt inszeniert, als (wirklich vollkommen ohne mein Zutun) eine grosse Agave hinter mir auf die Strasse kullert. Wir haben die absolute Ruhe für die Nacht am Steg sehr genossen (und auch den schönen Sternenhimmel mit der sichtbaren Milchstrasse), aber sie kommt zu einem hohen Preis für die wohl aussterbenden Bewohner des Örtchens.
Flussaufwärts gelangen wir dann mit der nächsten auflaufenden Tide bis nach Alcoutim auf der Portugiesischen, bzw. Sanlucar auf der Spanischen Seite. Zwei Kastelle und zwei weiss leuchtende Orte stehen sich hier gegenüber, nur durch die wenigen Meter der Flussbreite getrennt. Überall in beiden Dörfern wird auf die kriegerische Vergangenheit der beiden Orte und ihre Bedeutung als Grenzschutz-Posten hingewiesen. Die letzten Kriege sind hier zum Glück mehrere Generationen her und doch prägen sie das Leben bzw. die Erinnerung der Gegenwart noch immer. Ein deprimierender Gedanke, der uns bei unseren Spaziergängen durch Alcoutim und dann mit der Fähre hinüber und durch Sanlucar begleitet.
Speziell ist hier sicher die Zipline über den Fluss: wo sonst kann man mit einer Zipline von einem Land ins andere sausen und dabei erst noch eine Stunde Zeit «sparen»? Portugal hat die Uhren eine Stunde später gestellt als Spanien – etwas, das wir für die Fahrt mit der Fähre beachten müssen, um nicht die letzte zu verpassen.
Ebenso beeindruckend finden wir die riesigen Quallen, die hier – zum Glück nur vereinzelt – im Fluss vorbei treiben. Sie wären – nebst der starken Strömung und der sehr sandigen, braunen Farbe des Wassers, ein weiterer Grund, auf das Bad neben dem Schiff zu verzichten. Stattdessen nutzen wir am nächsten Morgen die vorhandene Dusche, die – wie auch der Steg – hier gratis zur Verfügung gestellt wird. Dass hier kein Geld für die Facilities verlangt wird, trägt sicher dazu bei, dass zumindest auf der portugiesischen Seite der Steg fast vollständig von Langzeit-Liegern in diversen Verfallszuständen belegt wird. Wir haben Glück, dass wir noch ein Plätzchen am Steg-Ende finden konnten und hoffen inständig, dass wir nicht auch eines Tages mit unserem Boot ein so trauriges Bild abgeben werden. Alcoutim und Sanlucar haben offensichtlich das Potenzial, einen zum Verweilen auf ewig zu verleiten und angesichts der malerischen Dörfer, des noch immer wunderschönen Spätsommer-Wetters und der lieblichen hügeligen Landschaft rundum können wir das auch sehr gut verstehen.
Am Di., 27.9. geht es bei Tagesanbruch wieder Fluss-abwärts. Weil Hochwasser etwa zwei Stunden vor Tagesanbruch war, ist diesmal nicht mehr ganz so viel Wasser auf den Flachstellen übrig und wir behalten nicht nur die Landschaft, sondern auch das Echolot (den Tiefenmesser) im Auge. Aber mit vorsichtigem Ausfahren der Kurven und bravem Einhalten der Bojenwege reicht es überall und schon bald steuert uns Bänz in Ayamonte, auf der spanischen Seite bei starkem Seitenstrom durch die schmale Einfahrt in die Marina.
Ayamonte spricht uns ebenso an wie Sanlucar und Alcoutim, bzw. noch etwas mehr wegen seines Kleinstadt-Charakters. Wir verstehen hier auch, warum diese Küste die «Costa del luz» genannt wird; es gibt hier wirklich – zumindest jetzt Ende September – ein ganz spezielles Blau im Himmel und wunderschön goldenes Licht.
Wir kommen schnell und leicht ins Gespräch mit anderen Seglern in der Marina, die hier überwintern, aber auch mit britischen Nicht-Seglern im Restaurant, die sich hier eine Wohnung gekauft haben. Und auch das Personal unseres Restaurants, in dem wir ein exzellentes Abendessen geniessen, wirkt noch überhaupt nicht «touristenmüde», obwohl wir am Ende einer langen Saison stehen. Im Gegenteil – sie geben uns sehr das Gefühl, willkommen zu sein und auch sie sind gesprächig trotz unseren sehr limitierten Spanischkenntnissen.
Wie schon an vielen anderen Orten in den letzten zwei Wochen nehmen wir uns vor, auch hierher wieder zurückzukehren.