Neptune’s Staircase zum ersten… zum zweiten… und zum dritten

Ab sofort gehören wir zu einem äusserst exklusiven Club von ca. 18 Yachten in 8 Jahren. Wir sind uns noch etwas uneinig, wie der Name des Clubs genau lauten soll, aber vielleicht kommen ja auch aus der Leserschaft am Ende dieses Berichts noch irgendwelche hilfreiche Vorschläge.

Neptune’s Staircase ist, wie ich nichtsahnend im letzten Beitrag notiert hatte, quasi das Filetstück im Caledonian Canal, mit 8 aufeinanderfolgenden Schleusen und tatsächlich spürbaren 19m  Höhenunterschied. Wie die offizielle Webseite von Scottish Canals angibt, benötigen Boote normalerweise etwa 90 Minuten für den ganzen Flight. https://www.scottishcanals.co.uk/destinations/neptunes-staircase/

Als wir um ca. 14h am Freitag in die Schleuse fuhren, hatten wir deshalb zum Glück schon zu Mittag gegessen und uns mit Handschuhen und den richtigen Kleidern ausgerüstet. Es ging zu fünft hinein; zwei grosse Norwegische Jachten mit recht entspannten Crews auf der Backbordseite, und die Soul Mate, sea magiX and ein Schwedisches Boot, die Anastacia mit der 76-jährigen Oma an Bord bzw. an der Heckleine auf der Steuerbordseite. Wir wussten noch nicht, dass wir eine noch eingeschworenere Gemeinschaft werden würden, aber glücklicherweise herrschte von Anfang an gute Stimmung bei den Manövern. Fürs Schleusen in Flights ist es wie schon beschrieben von Vorteil, wenn man mindestens zu dritt ist an Bord: jemand am Steuer und Motor (den man dann auch einschalten sollte, wenn man ihn braucht… 😉) und zwei an Land mit der Bug- und Heckleine. Die Landcrew wandert dann von Schleuse zu Schleuse und hält das Schiff in Position und verhindert, dass es an das Boot davor oder dahinter anstösst wenn die Strömung in der Kammer durch den Wasser-Ein- bzw. Auslass stark wird. In unserem Fall bedeutete dies, dass die Schleusenwärter (einer von den beiden war am Arbeiten trotz geschientem Bein nach Bänderriss) je ein Crewmitglied von den Norwegern zu Soul Mate und zu Anastacia beorderten, um dort zu helfen. Obwohl bei Anastacia die Oma wacker an den Trossen hing.

So dümpelten wir, bestaunt und fotografiert von vielen Touristen mit Kameras, die jeweils von den Schleusenwärtern zur Seite gepfiffen wurden (Volker meinte irgendwann, er fühle sich wie im Zoo auf der falschen Seite des Gitters), langsam abwärts und hatten nach 16h die unterste Kammer erreicht. Erwartungsvoll wurde einmal mehr überall die Maschine gestartet, es bimmelte bei der Strassenbrücke direkt vor der Schleuse, die Barriere kam runter und der Autoverkehr war gesperrt, und dann passierte – nichts. Ziemlich lange nicht, so dass es allmählich wieder still wurde in der Kammer als einer nach dem anderen wieder die Maschine ausschaltete.

Vorher hatten wir darüber noch gescherzt, und plötzlich wurde es zur Realität; die Brücke war kaputt. Die Schleusenwärter kamen nach einer gewissen Zeit zerknirscht von Boot zu Boot und riefen in den etwas dunkel und tief wirkenden Schacht hinunter die schlechte Nachricht: wir müssten auf einen Engineer warten, der von Glasgow her komme und etwa eine Stunde Fahrzeit habe. Fast alle Crews waren vollständig an Bord, nur die Oma hatte vom Schleusenwärterteam das sehr nette Angebot bekommen, per Auto zum Steg unter der Brücke geführt zu werden, damit sie dort bequem wieder auf Anastacia einsteigen könne. Das wirkte sich nun negativ aus, denn jetzt sass sie da oben, ca. 6m über dem Deck des Bootes und auf allen Yachten begann man sich den Kopf zu zerbrechen, wie wir sie mit vereinten Kräften an Bord hieven könnten.

Als das Wasser von der zweituntersten Schleuse in unsere überzulaufen begann, wurde es noch etwas ungemütlicher da unten im Verlies – zumindest für die beiden hintersten Yachten. Die Lockkeepers beschlossen deshalb (und auch wegen Oma, oder vielleicht hatten sie schon eine Vorahnung…), unser Becken wieder ganz langsam zu füllen und uns auf Tageslicht-Höhe hoch zu hieven. Jetzt kann ich mir vorstellen, wie das im Mittelalter sein musste, wenn man ins Loch, bzw. ins Verlies geworfen wurde. Schlammige, nasse Wände, dunkel, kühl bis kalt und kein Ausgang ausser nach oben. Puh!

Oben angekommen wurde Oma mit vereinten Kräften und unter Anteilnahme der ganzen Schleusenkammer an Bord von Anastacia gebracht und wir richteten uns auf eine längere Wartezeit ein. Doch weit gefehlt: wir durften nicht lange ruhen. Ungläubig hörten wir, wie uns die armen Schleusenwärter, deren Feierabend ebenfalls soeben vorbei war, eröffneten, dass wir nun alle 8 Schleusen wieder rückwärts zurück müssten, denn wir dürften nicht in der Kammer übernachten und es sei noch nicht klar, ob (!) und wann die Brücke repariert sei. Sowohl das normale als auch das Emergency-Hydrauliksystem hatten den Geist aufgegeben.

Und so kam es, dass wir – unterhalten von vielen Ohrwürmern der Pop-, Folk-, Reggae-, Rock- und sogar Rock n Roll-Genres aus den leistungsfähigen Boxen der norwegischen Jubaluba – ganz ganz süüüüferli tatsächlich wieder rückwärts hinauf zuckelten, woher wir ein paar Stunden zuvor gekommen waren. So langsam, dass einer der Touristen irgendwann meinte «but you’re not moving!». Das Wasser musste fast zentimeterweise eingelassen werden, weil die Schiffe mit dem Heck zur Strömung standen und bei stärkerem Einlass wie wild zu tanzen begannen. Wo wir vorher für eine Schleuse etwa 10 Minuten gebraucht hatten, schafften wir dies jetzt nur in etwa der doppelten Zeit. Ein Glück, dass das Wetter die ganze Zeit trocken blieb, und dass alle Crews den Humor hatten, mit der Situation fröhlich umzugehen. Trotz allmählich einsetzenden Hungergefühlen.

Auch spannend zu beobachten, wie sich die Crews hier halfen: bei den braven Schweizern und Schweden gabs Wasser, Aperochips, Schoggi, Getreidestängel, etc. Bei den Norwegern war das Bier höher im Kurs und auch ein gebratenes Huhn, dessen Duft sich in der ganzen Schleuse verbreitete. Das Café/Restaurant direkt an der Schleuse hatte die Gelegenheit verpasst, ein gutes Geschäft zu machen, und den Vorschlag abgelehnt, ein paar Sandwiches für die ca. 18 hungrigen Personen direkt vor ihrer Türe zu machen. Graham von der Maunie, die zufällig an diesem Morgen beschlossen hatte, nicht mit hinunter zu kommen, war extra fragen gegangen. Thanks for your efforts, Graham! (Von Graham stammen auch die coolen hier verwendeten Drohnenbilder der Schleusen. Thanks again for allowing us to use your pictures!)

Unterwegs konnten wir auch dem berühmten Harry Potter Zug zusehen. Der Hogwarts Express war von hier gefilmt worden.

Kurz vor 21h waren wir endlich wieder oben und konnten uns an einen der Pontoons legen. Schnell festmachen, Hände waschen und dann los hinunter ins Pub für die schon lange ausgemalten Fish n Chips. Aber leider war die Küche schon geschlossen als wir ankamen. Da halfen auch lange Gesichter nichts – der Chefin war es gar nicht recht, aber sie musste uns hungrig wieder wegschicken. Und so kam es zu Bänzs Notfallspaghetti mit Pesto an Bord, die recht schweigsam und schnell verspiesen wurden. Einmal mehr herrschte innert Minuten nach dem Aufräumen der Pantry schon Ruhe an Bord – wir waren alle k.o. und schliefen sehr gut. Im Bewusstsein, dass wir morgen den Neptune’s Staircase ein drittes Mal in 24 Stunden absolvieren würden. Wer kann das denn schon von sich behaupten? Anscheinend sind wir die dritte Gruppe von Yachten innerhalb von 8 Jahren Dienstzeit des einen Lockkeepers, die diese Auszeichnung für sich in Anspruch nehmen kann. Ein wirklich exklusiver Club. Vielleicht der «Triple Lockers Club?» Oder die «Rückwärts-Strippenzieher»? Oder …? Suggestions are welcome!


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