Cadiz – eine Stadt zum Verlieben

Wir haben sie jedenfalls sehr lieb gewonnen.

Freitagmorgen, der 16. September. Wir verlegten bald nach Sonnenaufgang von unserem Ankerplatz in die Marina des Real Club Nautico de Puerto de Santa Maria hinein, wo wir von zwei sehr freundlichen Marineros in Empfang genommen wurden, nachdem die Kommunikation am VHF mit Isabelle vom Office etwas «patchy» gewesen war.

Bald darauf waren wir durch das freundliche und lebendige Städtchen El Puerto de Santa Maria hindurch auf dem Weg zum Fährterminal und verpassten die nächste Fähre ganz knapp, weil wir geglaubt hatten, man könnte auch an Bord noch ein Fährticket lösen. Der Marinero am Eingang, ganz entrüstet: «Kann man denn auf ein Flugzeug ohne Ticket?!» Da hatten wir ihn wohl in seinem Berufsstolz getroffen mit unserer Annahme.

Etwa eine Stunde später landeten wir dann im Hafen von Cadiz und stellten gleich fest, dass wir ein Weekend zu früh da waren: am Wochenende darauf fand offensichtlich der Sail GP statt mit seinen auf dem Wasser fliegenden (foilenden) Katamaranen. Es wurde emsig an den Festzelten gebaut.

Mit dem Hop on, hop off–Bus verschafften wir uns einen ersten (Über-)Blick auf die Stadt mit ihren engen schattigen Gassen, dem emsigen Treiben darin und der zum Glück meistens kühlenden Seebrise. Gemütlich spazierten wir dann durch eben diese Gassen, besuchten die Kathedrale und stiegen im Glockenturm die Rampe hoch, bestaunten das Panorama der vom Meer umgebenen Stadt von oben, liessen uns von der Brise am Strand etwas abkühlen, setzten uns ins Café oder streunten durch den Parque Genovés mit seinen fröhlich zurecht geschnittenen Buchsbäumen und den riesigen anderen exotischen Pflanzen.

In der Kathedrale hatten wir diverse reich geschmückte und verzierte Prozessionsbilder bestaunt, so gross wie Fasnachtswagen, mit Szenen von der Passion Jesu. Draussen auf dem Platz vor der Kathedrale und auch beim Hauptplatz, sowie in einigen Gassen unterwegs waren uns Palette mit Klappstühlen aufgefallen. Und als wir gegen Abend immer mehr uniformierten Musikbands mit ihren Instrumenten begegneten, packte uns die Neugier endgültig.

Was war denn hier los? Ein Cameriere half uns auf die Sprünge: Es gebe eine Prozession für die Semana Santa hier heute und morgen Abend. Semana Santa? Ist die nicht um die Osterzeit? Eine Internetrecherche half dann nochmals ein wenig weiter: von Donnerstag bis Samstag fand die «Magna 2022» statt mit abendlichen Prozessionen um die 300 Jahre der Kathedrale zu feiern. Das wollten wir sehen, und so fuhren wir am Samstagnachmittag – diesmal mit dem Zug um die ganze Bucht herum – nochmals in die Stadt, bummelten wieder durch die Gassen und beobachteten, wie sich die Menschenansammlungen und Bands um die neuralgischen Punkte herum allmählich verdichteten.

Vom Rand des inzwischen vollgepackten Kathedralenplatzes konnten wir dann dem offiziellen Beginn der Hauptveranstaltung beiwohnen. Die Hauptband an der Spitze des Zuges gab auf der Rampe vor der Kathedrale ein Musikstück zum Besten, dann wurde das erste Passionsbild umrahmt von unzähligen Würdenträgerinnen und Würdenträgern unter Applaus aus den Toren getragen und ein Geistlicher (es war von so weit her nicht sichtbar, ob dies der Bischof oder jemand anderes war) sprach einige Worte, während sehr viel Weihrauch versprüht wurde. Im sehr gemessenen Prozessionsschritt bewegte sich der Zug allmählich die Rampe hinunter… jetzt war uns klar, warum die Prozession bis nach Mitternacht angesagt war. Was wir jedoch bis heute nicht verstanden haben ist, wo die vielen verschiedenen spielbereiten Bands zum Zug kamen. Wir hatten nur eine einzige davon kurz in Aktion gesehen. Wo die anderen wohl alle spielten? Das ist für uns noch immer ein Rätsel.

Die Idee, nach dem Blick auf die Prozession in einer Seitengasse eine Taperia zu finden, um vor der Rückfahrt mit der letzten Fähre um 22:40h noch etwas zu essen zu bekommen, erwies sich als wenig praktikabel. Die Seitengassen waren verstopft mit Prozessionsbesuchern und die Taperias voll mit Spaniern der gleichen Idee. Wir fädelten uns aus der Umzingelung durch die Prozession wieder mit Umwegen aus und beschlossen, mit einer früheren Fähre unser Glück in El Puerto de Santa Maria zu suchen. Die Fähre entpuppte sich dann zwar als Bus-Ersatz, aber das funktionierte trotzdem bestens und das anschliessende Abendessen direkt im Club Nautico bei sea magiX war auch sehr fein.

Für Sonntag, den 18.9. war starker Levanto, d.h. Ostwind angesagt. Wir beschlossen, nochmals einen Tag einfach in El Puerto de Santa Maria zu bleiben und den Wind durchziehen zu lassen. Es war dann recht eindrücklich, wie gleichzeitig mit zunehmender Windstärke auch die Temperatur anstieg, so dass wir am Nachmittag mit den Velos ein kühlendes Bad am Strand vor Puerto Sherry suchen wollten. Wir liessen die Idee dann aber wieder fallen, als wir dort ankamen und sahen, wie der feine Sand in Wolken durch die Luft gewirbelt wurde und alles in seinem Weg sandstrahlte. Stattdessen gabs im Café am Fluss einen feinen Eisbecher und dann eine weitere erfrischende Dusche im Club.

Ein wenig Einkaufen in den kühlen Supermärkten, die hier alle in wunderschönen alten Sherry-Lagerhallen eingebaut sind, Wäsche waschen (und sie wegen des Sandes in der Luft trotz idealen Windverhältnissen doch zu tumblern), dazwischen ein wenig lesen und am PC sein – es war ein sehr gemütlicher, wenn auch heisser Sonntag, den wir in dieser Geborgenheit geniessen konnten, während der Wind in den Riggs der Marina pfiff wie tausend Derwische.

Auch El Puerto de Santa Maria für sich ist eine Reise wert. Der quirlige Ort mit seinem sehr südländischen Flair, den alten Sherry-Lagerhäusern und den Strässchen der Altstadt rund ums Castello hat uns ebenfalls verzaubert, obwohl wir die Stierkampf-Arena nicht besonders beachteten. Wir hätten es gut noch länger hier ausgehalten, beschlossen dann aber nach intensiven Wetter- und Routen-Recherchen, dass wir am Montag bei angenehmen 10-15 Knoten Wind noch vor den angesagten Gewittern wieder nordwärts in Richtung Chipiona und den Río Guadalquivir segeln würden. Unsere Anfragen beim Club Nautico de Sevilla und beim Club Nautico de Gelves hatten ergeben, dass wir bei beiden ein Plätzchen zum Festmachen bekommen könnten. Für den im Stadtzentrum gelegenen (und auch in der Nachsaison ziemlich teuren) Club Nautico muss man eine Schleuse und die Brücke mit dem coolen Namen «Puente de las Delicias» passieren. Die Brücke öffnet jedoch nur montags, mittwochs und freitags am Abend um 22h und Sa/So morgens um 7h. Für den Club Gelves bleibt man weiter im Fluss mit seiner Strömung und passiert stattdessen ein Kabel mit Höhe 19m, gemäss Angaben aller Nutzer und entgegen den Angaben von 16.5m wie Navionics behauptet. Mit der Zusage «sin problemo» von Gelves hatten wir die Flexibilität, schon am Dienstag anzukommen. Und angesichts des Wetterberichts, der wenig bis keinen Wind für später versprach, war der Entscheid schnell getroffen, und schon bald hiess es «Sevilla, here we come!»

Mit dem Genni gings aus der Bucht von Cadiz nach Norden, an Chipiona vorbei in den Fluss, wo wir nach etwa fünf Seemeilen bei Bonanza eine Boje für die Übernachtung fanden und einen wunderbar friedlichen Abend verbringen konnten, während wir darauf warteten, dass die Tide drehte.

So sitze ich nun am Dienstag, 20.9. im Cockpit von sea magiX während uns Erich den Fluss hinauf steuert. Der helfende Flutstrom hat viel später eingesetzt als erwartet (wir starteten etwa 2h nach Niedrigwasser Bonanza und hatten trotzdem etwa 2 Stunden lang noch Gegenstrom), und Wind zum Segeln gibts in diesem engen Fahrwasser leider zu wenig, aber die Stimmung ist äusserst friedlich und der Flusslauf führt entlang von Salinen, Landwirtschaftsland und viel weitem Raum. Wir sind sehr gespannt auf Sevilla!


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