Pentland Firth

Vor dieser Meerenge haben wir grossen Respekt. Sie ist bekannt als eines der gefährlichsten Seegebiete um die Britischen Inseln. In jedem Segelrevier-Führer, wie auch in allen offiziellen Dokumenten, wird davor gewarnt, die hier herrschenden Tidenströme zu unterschätzen. Bei Springzeit, d.h. etwa bei Voll- oder Neumond, können die Stromstärken bis zu 12kn erreichen. Ein Segelboot wie unseres hat eine Rumpfgeschwindigkeit von etwa 6-7kn. Wenn wir also bei solchen Verhältnissen versuchen würden, gegen den Strom zu segeln oder zu motoren, so würden wir noch immer mit etwa 5-6kn rückwärts getrieben. Dies ist aber weniger problematisch als die bekannten Stromschnellen, sowie die wirklich rauhe See, die bei Strom gegen Wind – Verhältnissen entstehen. Der Strom läuft immer etwa 6 Stunden lang in die eine Richtung und dann die nächsten 6 in die andere. Man muss/kann also den richtigen Moment erwischen.

Deshalb nehmen wir die Planung für die bevorstehende Überfahrt nach Scrabster ans Schottische Festland sehr ernst. Wir wollen mit dem West-setzenden Strom und mit dem aus Ost-Südost blasenden Wind (also Strom mit Wind) rechtzeitig an den *Merry Men of May“ (die gefährlichste Stromschnelle, die sich ab etwa 1h nach Hochwasser quer über den Pentland Firth zu bilden beginnt) vorbei sein, bevor sie sich über den ganzen Firth erstrecken.

Als wir lossegeln sind wir alle drei in Vollmontur, mit Lifebelt, etc., und gut eingepackt, denn es gibt auch viel Wind. Was wir nicht erwartet haben, ist der Nebel. Einmal mehr zeigt sich, dass die See immer noch eine Herausforderung mehr bringen kann, als wir vorhersehen. Unser AIS und der Plotter funktionieren zum Glück einwandfrei, und so kommen wir unbehelligt aus dem Scapa Flow heraus, obwohl wir in nur 0.3 SM Distanz einen grossen Frachter passiert haben, von dem wir nur die Maschine hörten und den Rauch rochen, aber auch nicht den winzigsten Hauch davon sahen. Draussen lässt der Wind nach und gleichzeitig packt uns der Strom. Dazu geht es nicht lange, bevor das AIS-Signal eines nächsten Frachters auftaucht, dem wir für diese Gegend ungemütlich nah kommen könnten. Wir ändern unseren Kurs, um auszuweichen, und erreichen bald Geschwindigkeiten von 10kn und mehr über Grund. Der Wind ist sehr böig und in Kombination mit dem Strom erfolgt ein fröhliches Segel-Reffen-und-wieder-Rauslassen, bis wir von mehreren Faserpelz-Schichten aufs T-Shirt unter dem Oelzeug reduziert haben. Die Überfahrt zur anderen Seite dauert nicht viel mehr als eine Stunde, in deren Verlauf sich auch der Nebel lichtet und schönstem Sonnenschein Platz macht. Wobei wir beim Zurückschauen merken, dass wir einfach aus einer Nebelwand heraus gefahren sind. Die Orkneys stecken auch viel später noch immer dick drin.

Kurz vor Scrabster erwischt uns dann noch ein Strom-Race beim Dunnet Head, dem Kap vor der Bucht von Scrabster und Thurso, und innert Kürze sind wir wieder mit hoher Geschwindigkeit und zu viel Segeltuch unterwegs, so dass sogar unserem Skipper die viel gutmütigere Yacht aus dem Ruder läuft. Ein letztes doppeltes Einreffen, dann kommen die Segel runter und wir können in den Hafen einfahren. Wir hatten uns am Ausgang vom Scapa Flow bei der Shetland Coast Guard für die Überfahrt angemeldet und können nun schon viel eher als im ersten Gespräch geschätzt wieder abmelden. Die Überfahrt war weniger spektakulär als erwartet, aber doch etwas risikoreicher als die diversen Über- und Durchfahrten in früheren Jahren, bei welchen die Windverhältnisse jeweils stabiler und in meiner Erinnerung auch weniger stark waren. Gut hat’s so problemlos geklappt und nur ein paar durchgeschwitzte T-shirts und etwas Muskelkater in den Armen gekostet vom ständigen Ein- und Ausreffen!

Den Nachmittag verbringen wir mit „a little bit of exploring“ (Zitat Skipper), für das wir zum Glück unsere Wanderschuhe angezogen hatten. Wir spazieren dem wunderschönen Sandstrand entlang nach Thurso, dem Städtchen, zu welchem Scrabster als Hafen gehört. Der Strand ist schön – und sehr lang: die Distanz ist etwa 3km bis zum Städtchen. Für den Rückweg, mit kurzem Abstecher zum Lidl für ein frisches Nicht-Watte-Brot, folgen wir dann der Strasse. Jetzt haben wir nicht nur in den Armen, sondern auch in den Beinen Muskelkater.

Scrabster bringt uns auch zwei Begegnungen der etwas anderen Art: kurz nach unserer Ankunft werden wir von einem älteren Herrn in Anzughose und Hemd und Krawatte mit Krawattennadel auf unsere CH-Flagge angesprochen. Er ist stolz, dass er sie richtig erkannt hat, kann sich dann aber doch nicht verkneifen zu bemerken, dass unsere Schottische Gastlandflagge unter der Steuerbord-Saling ein falsches Signal sei und eigentlich heisse, „ich liege ohne Fahrt im Wasser“. Die richtige Version sei der Red Ensign, d.h. die rote Flagge mit dem Union Jack in der Ecke. Er ist offensichtlich nicht ein Schottischer Nationalist. Er möchte uns gerne in ein Gespräch verwickeln, aber wir sind gerade damit beschäftigt, unseren Skipper in den Mast zu hieven, damit er sich ganz oben um das nicht richtig funktionierende Toplicht kümmern kann. So verkrümelt er sich – seiner Kleidung völlig unpassend – in ein ganz kleines Segelboot mit gelegtem Mast, das in unserer Nähe liegt. Dies aber nicht, ohne uns vorher angeboten zu haben, uns für irgendwelche Besorgungen mit seinem Auto mitzunehmen oder sonstwie zu helfen. Wirklich sehr nett!

In der Nacht etwa um 01:30h folgt dann die Begegnung der anderen Art mit einer Finnischen Motorsegler-Yacht, mit dem Namen einer schwarzen Raubkatze. Sie legt sich längsseits an uns auf der Luvseite und wir fallen fast aus der Koje, als es mit ihrem Aufprall bei uns so richtig rumst. Bänz ist wie ein geölter Blitz draussen und es kann schon sein, dass seine Bitte an den Finnischen Skipper, doch vielleicht auch eine Leine an den Ponton auf der Windseite zu legen, um nicht einfach mit dem vollen Gewicht auf uns und unseren Fendern zu liegen, etwas abrupt angekommen ist. Das könnte aber auch sein, weil der Wind ziemlich laut in den Wanten pfeift. Jedenfalls braucht es mehrere Bitten und Nachhaken, bis das gelingt. Das völlig Unwirkliche ist aber die Szene, die sich unsere Skipper mit der Dame des Bootes liefert. Er bittet sie – wirklich höflich – ein paar von ihren fein säuberlich im Heck aufgehängten Fendern zu verwenden. Sie haben nämlich keinen einzigen rausgehängt. Und da fängt die Dame tatsächlich an, die für meine Ohren merklich lallt, und wohl die rauhe Fahrt mit viel Alkohol hinter sich gebracht hatte, mit ihm zu diskutieren, dass doch wir mehr Fender auf diese Seite rüber hängen sollten. Immer wieder mal was Neues – in all den Jahren ist uns noch nie ein Boot bzw. eine Crew begegnet, die ihre Fender partout nicht einsetzen wollte, und es als Frechheit empfindet, wenn sie darum gebeten wird.


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