Draussen pfeift der Wind im Rigg, Fallen schlagen an Mäste, das Wasser gluckert an der Bordwand… wir sind tatsächlich an Bord von sea magiX und auch schon unterwegs! Genau genommen liegen wir seit heute Morgen in Helgoland im Hafen und sind froh, dass wir es gerade noch vor dem starken Nordwestwind hierher geschafft haben. Das bedeutete aber auch, dass wir heute Morgen (naja – heute Nacht?) um 02.45h aufgestanden sind, um noch mit mitlaufender Tide und dem letzten Rest Südwest- auf West-drehendem Wind aus dem Elbmündung-Trichter raus zu kommen. Aber der Reihe nach:
Die letzten Wochen (oder sogar Monate?) waren für beide extrem stressig. Wir hatten zwar in diversen anderen Segelblogs über diese Erfahrung schon gelesen, aber konnten uns darunter doch nicht viel vorstellen. Als dann unser Hochzeits- und auch Abreisetag immer näher rückte, wurde die Komplexität der Belastung erst deutlicher. Es klingt nach Jammern auf hohem Niveau, und wir sind uns dessen auch sehr bewusst, dass wir ja gleichzeitig ein unglaublich spannendes Projekt angehen dürfen, und doch hatten wir dies deutlich unterschätzt. In der Nacht vor unserem Start schliefen wir beide kaum; der Skipper fiel gegen 02.30h ins Bett und die Crew war ab 04h hellwach… und etwas weniger extrem aber so ähnlich war es schon seit einiger Zeit gegangen. Wir brauchten deutlich bald eine Pause!
Mit einem etwas mulmigen Gefühl stiegen wir in den Bus: es ging wirklich los und ab sofort konnten wir im «bisherigen Leben» nicht mehr viel bewirken und mussten darauf vertrauen, dass das alles «scho guet chunnt». Übermüdet und gleichzeitig voll Freude über das tollste Projekt, das wir in den 27 gemeinsamen Jahren je angegangen sind; ein ziemliches Gefühlschaos begleitete uns auch noch am Flughafen Basel und bei der Fahrt im Mietauto nach Rendsburg. Der Ankunfts- und Hochzeitstag-Drink im Cockpit half dann ein wenig, aber wohl vor allem auch das Gefühl, zwar noch mitten im Chaos zwischen den Reisetaschen aber doch auf unserer vertrauten sea magiX zu sitzen.
Bei schönstem Wetter konnten wir am Samstag alle Einkäufe erledigen, die Spifalls, die verdreht eingezogen waren, nochmals neu einziehen, die Genua setzen und unter Deck ein wenig mehr aufräumen. Bänz brachte das Mietauto zur Agentur und radelte mit dem Klappvelo zurück und nach einer zweiten Dusche hiess es tatsächlich kurz nach 16h endlich LEINEN LOS!
Die gemütliche Fahrt bei noch immer bestem Sommerwetter bis in den Gieselau-Kanal nutzte der Skipper unter Deck für weitere Aufräum- und Einrichtungsarbeiten (neue Feuerlöscher montieren, zweiten Spibaum montieren, Stagreiter an der Sturmfock einsetzen, etc.), während die Crew oben steuerte. Ein wunderschöner Abend folgte, den wir jedoch kaum mehr beachteten, sondern uns trotz hellem Tageslicht schon vor 22h in die Kojen verzogen.
Auf der Weiterfahrt nach Brunsbüttel am Sonntagmorgen wurde der angekündigte Wind schon auf der Kanalfahrt spürbar. Zu unserer Überraschung mussten wir vor der Schleuse in Brunsbüttel keine 10 Minuten warten und waren schon am Mittag auf der Elbe. Viel zu früh für den Strom, der noch immer kräftig aufwärts lief. So kreuzten wir mit 2 Reffs und ohne Vorsegel bei 5-6 Bft fröhlich auf und ab vor Brunsbüttel und bewegten uns nur allmählich in Richtung Cuxhaven. Erste Gedanken ans Umdrehen und mit dem Wind Elbeaufwärts-Fahren kamen auf. Auch in die Oste würden wir es nicht mehr schaffen, weil wir schon 3 Stunden nach Hochwasser nicht mehr sicher über die Barre kämen. Dann drehte der Strom endlich und der Wind liess um 2-3 Kn nach, so dass wir ein Stückchen Vorsegel setzen konnten, und so erreichten wir dann Cuxhaven nach einigen Stunden. Die Idee, gleich weiter nach Helgoland zu fahren, hatten wir unterwegs aufgegeben. Es war wirklich ziemlich «holprig» und der Wind blies stark aus SW bis W und zudem waren wir uns unserer Müdigkeit sehr bewusst.
Das Studium des Wetterberichts und von «Wetterwelt» ergab dann aber bald im Verlauf des Abends, dass wir entweder am Montagmorgen ganz früh starten müssten, um noch nach Helgoland zu kommen, oder dann mindestens eine Woche auf der Elbe «gefangen» wären, weil mindestens bis Sonntag starker NW-Wind angesagt ist. So wurden die schon ausgemalten Schollenfilets mit Bratkartoffeln in Cuxhaven gestrichen und wir krochen sehr bald in die Kojen, wo uns der Wecker wie eingangs erwähnt um 02.45h schon wieder ereilte.
Pünktlich um 03.30h liefen wir aus dem Hafen aus; noch war es dunkel, aber im Osten zeigte sich schon die Dämmerung und bald leuchtete der Himmel in allen schönen Rosatönen. Die Fahrt auf der Elbe war schnell und am Wind gerade segelbar ohne Kreuzen. Wegen des mitlaufenden Stroms lief es anfangs mit 10kn über Grund, später noch mit 8kn, und als wir aus dem Fahrwasser kamen und abfallen konnten, beschleunigten wir auch ohne Strom auf 7.5kn mit unseren 2 Reffs und dem Fleckchen Genua. Wegen der Strom-Kabbelsee war es zwar wieder recht «bumpy» und ziemlich salzig. Ich hatte angesichts des schönen Wetters zwar Vollmontur an, aber hatte nicht an die Stiefel gedacht, was die See bald mit gefüllten Bordschuhen quittierte. Es war ein kleiner Weckruf; «hallo, wir sind hier in der Nordsee!». Schneller als erwartet kamen wir zum Frühstück auf der Insel an.
Der Innenhafen zum Tanken ist gesperrt, was wir zwar für Mai-Juni gelesen hatten, aber jetzt im Juli nicht mehr erwarteten. Wir wurden mit «Tanken könnt ihr im Vorhafen» verjagt. Im Vorhafen lag eine grosse blaue Bark mit «Travel-Tank» angeschrieben, aber der Skipper dort schaute recht überrascht, als wir nach Diesel fragten; er habe nur Flugzeugsprit, meinte er. Wir legten uns dann ohne Tanken längsseits an eine Jacht Marke Eigenbau. Ihr Skipper verzieh uns, dass wir ihn geweckt hatten. Er meinte, es sei ja schliesslich an der Zeit, aufzuwachen.
Auf Helgoland ist der übliche Betrieb, nur der Hafen ist momentan recht wenig belegt. Da ab Mittag wie angesagt der Wind nochmals an Stärke zugelegt hat und inzwischen tatsächlich auf NW gedreht hat, erwarten wir hier nicht mehr viele Nachbarn in unserem Zweierpäckchen. Auf der Insel findet gerade der Störtebeker-Cup für Optis statt. Die Regatten wurden jedoch am Mittag abgebrochen – wohl wegen zuviel Wind. An Land sind alle Grünflächen mit Zelten der Optisegler und ihrer Familien belegt und auch sonst sind viele Touristen unterwegs, wie wir bei unserem Spaziergang im Unterland feststellten.
Zu viel mehr Aktivität waren wir noch nicht fähig. 2.5 Stunden Mittagsschlaf und ein wenig Wetterbericht-Studium, endlich Blog schreiben und den Hydrostat an der Rettungsinsel montieren… Morgen ist auch noch ein Tag; wohl ein Hafentag. Einkauf bei Engel, Tanken mit Kanistern, Gisela zum Laufen bringen, und wohl auch ein weiterer Spaziergang auf der Insel oder eventuell auf der Düne stehen im Programm.
Gemäss «Wetterwelt» gibt’s dann am Mittwoch etwas weniger Wind, den wir vielleicht nutzen können, um aus der Deutschen Bucht heraus und in Richtung Holland zu kommen. Mir wei luege… jetzt haben wir ja Zeit – eine Situation, die wir noch erlernen werden.