Schon geht die erste Woche der Etappe 1 unserer neuen Atlantikrunde zu Ende und noch steht hier kein neuer Bericht… Entschuldigung! Es fehlte ein wenig die Energie aber auch die interessante Thematik dazu. Wer will schon wissen, wie viele Dutzend Kisten, Winkel und (fast) vergessene Ecken von sea magiX wir aus-/ein-/um- oder aufgeräumt haben, während sich die Pendenzenliste unaufhörlich verlängerte, statt kürzer zu werden?
Eine Erkenntnis hatten wir jedenfalls: es hat für uns einen grossen Unterschied gemacht, dass wir diesmal das Boot für 3-4 Jahre ausgerüstet haben statt wie letztes Mal für etwa ein Jahr. Obwohl diese Etappe 1 ja «nur» für 4 Monate geplant ist, wird sea magiX – so denn die Götter wollen – erst etwa 2025 nach Norddeutschland in die Sonwik zum Keller mit unserem Material zurückkehren. Das hat erheblichen Einfluss auf die Ersatzteile-Liste. Jedenfalls waren das des Skippers glaubhafte Erklärungen, wenn ich jeweils etwas erstaunt die Augenbrauen hob ob dem sehr ausgiebigen Ersatzteillager, das wir jetzt an Bord haben. Gefühlt führen wir ein halbes zweites Boot mit. Und zugegeben – es gibt ein gutes Gefühl zu wissen, dass wir uns in sehr vielen Situationen selbst helfen können, sollten sie denn eintreffen.
Bilder sagen mehr als tausend Worte – hier deshalb einige Eindrücke von der vergangenen Woche.
Problemlose und gemütliche Anreise mit dem Zug aus der Hitzewelle in der Schweiz in den kühleren und etwas regnerischen Norden Deutschlands. Sea magiX liegt glücklich und zufrieden im sehr freundlichen und unkomplizierten Eider Yacht Club in Rendsburg. Danke an den EYC für die Gastfreundschaft!
Unter Deck türmen und stapeln sich die Kisten und Taschen. Jede muss noch sortiert und ein-/aus- … etc.- geräumt werden. Auch der Schoggi-Vorrat für die nächsten paar Wochen ist vorhanden – aber wird wohl nicht bis in den Oktober reichen.
Wir statteten dem Keller in der Sonwik zwei Besuche ab und füllten unser Mietauto jeweils bis unters Dach mit Material, das dorthin ging, um zu bleiben (oder teils mit Hilfe von lieben Freunden im Herbst wieder in die Schweiz kommen sollte) oder von dort kam, um mitzureisen. Erschwerend kam hinzu, dass wir beschlossen hatten, die Seite unserer «Rumpelkammer» mit all den Ersatzteilkisten, den Klappfahrrädern, dem schweren Parasailor und dem Gennacker von der Steuerbord- auf die Backbordseite zu wechseln. Sea magiX lag nämlich in der Vergangenheit immer ein wenig schräg im Wasser, wenn der Wassertank mit 180l voll war und dann noch zusätzlich all das Gewicht der Rumpelkammer auch noch auf der gleichen Seite lag. Das bedeutete aber, dass nicht nur die Matratzen, sondern auch die Türe nach bzw. von Flensburg gebracht werden mussten, damit unsere Gäste steuerbords nicht auf dem harten Holz liegen müssen und auch mal die Türe schliessen können. Die Länge dieser Teile forderten die Staumöglichkeiten unseres Miet-Opels ziemlich heraus.
Für sea magiX bzw. die Kombüsencrew gabs einen neuen Salzwasser-Hahn. Der alte war durch Korrosion fast weggefressen worden. Wie immer bei solchen Aktionen zeigte sich, dass auch der Süsswasserhahn etwas tlc (tender loving care – eine sehr wichtige Ressource sowohl für Schiffe als auch für Menschen 😊) benötigte. Das neue Einpassen der Dichtung erwies sich als ziemlich knifflige Aufgabe. Jetzt sieht aber die Wasserleitungs-Anlage unter dem Sink sehr aufgeräumt und ordentlich aus.
Es kam uns entgegen, dass das Wetter in Rendsburg nass und kalt war, während wir drinnen am Aussortieren weiterer Ersatzteillagerkisten schufteten. Auch die beiden Dieselfilter wurden ersetzt. Der Skipper zeigte sich erfreut über das wenige schwarze Ablagerungsmaterial, das sich darin seit dem letzten Wechsel vor 4 Jahren gesammelt hatte.
Natürlich musste nicht nur unter Deck, sondern auch in den Backskisten ein-/aus-… etc. geräumt werden, vor allem um Platz zu haben für die beiden Campinggas-Flaschen nebst der grossen Aluflasche, die im Gas-Fach im Heck sitzt.
Und dann – am Dienstagnachmittag, dem 21. Juni kam endlich der grosse Moment: wir konnten die Leinen lösen und die 10 SM im Nordostseekanal bis zur Gieselauschleuse motoren. Endlich!
Unterwegs ging das …Räumen munter weiter; Schoten, Niederholer, Cunningham, Lifelines, d.h. all die Leinen an Deck wurden montiert während wir bei schönstem Wetter dahin tuckerten. Die Gieselau ist einer unserer Lieblingsorte in dieser Gegend – wunderschön friedlich, wenn man vom Rattern der gelegentlichen Autos über die Schleusenbrücke absieht.
Wir nutzten das schöne Wetter des Nachmittags und Abends dann auch, um das undicht gewordene Vorluk (das Fenster direkt über der Koje, in der wir normalerweise schlafen) neu abzudichten, die Püttings der neu eingebauten Wanten (wir hatten im Frühling das Rigg durch die Firma Kohlhoff in Kiel fast vollständig erneuern lassen) bekamen ihre Sikaflex-Abdichtung und Bänz begann die Arbeit am Spibaum, der von der Korrosion über die Jahre regelrecht aufgesprengt und weggefressen worden war.
Am Mittwochmorgen früh um 5h gings dann wieder los in Richtung Brunsbüttel. Noch lag Nebel auf dem Kanal und die grossen Pötte wirkten fast gespenstisch, wenn sie nicht so deutlich hörbar gebrummt hätten. Es war s…kalt, und ich fühlte mich darin bestätigt, dass ich auch für diese Reise wieder meine Merino-Unterwäsche, Kappe und mehrere Faserpelze gepackt habe, auch wenn es eigentlich Sommer ist.
Als wir uns vier Stunden später der Schleuse in Brunsbüttel näherten, schaltete ihr Licht gerade auf weiss und eine andere Segeljacht fuhr hinein. Bänz gab Gas und wir flogen fast durchs Wasser. Wir waren wirklich nur noch wenige hundert Meter davor, als das Licht auf rot umschaltete und sich die Tore zu schliessen begannen. Ungläubiges Staunen, dann der Griff zum VHF – «Kiel Kanal 1, dürfen wir bitte noch in die Südschleuse einfahren, wir sind das Segelboot, das gerade darauf zu fährt?» . Die Antwort habe ich nicht verstanden und fragte ganz verwirrt auf Englisch nach «Say again?». – «You can enter» kam zurück. Die Tore blieben stehen und auch das Licht auf rot, und wir tuckerten etwas eingeschüchtert zwischen den schweren halb offenen Türen hindurch. Kurz darauf öffneten sie sich auf der anderen Seite – das Tor zur weiten Atlantikwelt liegt wieder vor uns! Atlantic, here we come! Ein wunderbares Gefühl.
Mit ganz wenig Wind aber genug schiebendem Strom tümpelten wir dann bei inzwischen schönstem Wetter die 10 SM Elbe-aufwärts nach Glückstadt und zogen gleichzeitig die Reffleinen neu ein im Grosssegel. Wir haben das System nun gewechselt auf Einhängen per Schnappschäkel am Mast vorne, so dass die Leine nun mit weniger Umlenkungen schneller und leichter herunter gezogen werden kann. Auch beim früheren single line System hatte immer jemand kurz vorne die Mastrutscher herunter ziehen müssen und so glauben wir, dass es leichter und einfacher gehen wird in Zukunft.
In Glückstadt bekam der Spibaum seine nächste Ladung tlc und auch das Deck, dessen Schrauben seit Beginn teils lose sind. Des Skippers Bemühungen im Winter, die Schrauben mit Epoxy einzukleben, hatten nicht gefruchtet – es war zu kalt und das Epoxy härtete nicht. Im Verlauf des Nachmittags erhielten wir dann wieder einmal Besuch vom Zoll. Schon in Rendsburg hatte es wenige Stunden nachdem die Schweizer Flagge wieder am Heck wehte den ersten Besuch gegeben. Die Beamten in Rendsburg waren jedoch schnell beruhigt, dass bei uns alles mit rechten Dingen zu und her gehe. Diesmal in Glücksburg wollte es die Chefin des vierköpfigen Teams, das da etwas drohend auftauchte, nicht recht glauben. Sea magiX ist EU-MWSt-versteuert und unterliegt deshalb nicht der Pflicht, jeweils innerhalb von 18 Monaten auszureisen. Auch war sie vorher nie länger als einige Monate ausserhalb der EU. Aber Frau Hantje war auf unser Rückkehr-Datum vom Juli 2020 fixiert. So zog sie mit Kopien unseres Logbuchs vom Juli 2020 und dem Flaggschein von dannen, um «das mit der Zentrale abzuklären». Konnte es wirklich sein, dass uns eine Beamtin noch vor dem Start zur Reise das Leben so schwer machen würde? Ich begann ein wenig zu zweifeln. Solche Abklärungen können ja vom Beamten X zum Beamten Y gereicht werden, auch wenn eigentlich alles klar sein sollte. Nach etwa einer Stunde kamen sie dann wieder zurück – wieder zu viert… Wollten sie uns gleich in Handschellen legen? Aber Frau Hantje eröffnete uns, dass Bänz «fast recht» gehabt hätte und dass wir nur den Status verlieren würden, wenn das Boot mehr als 3 Jahre am Stück ausserhalb der EU bleibe. Wir wissen zwar heute noch nicht, wo genau das «fast» lag, aber für uns war das ok so – Hauptsache, die Zollbeamtin konnte vor ihren Kollegen das Gesicht wahren und uns gleichzeitig unbehelligt lassen. Es ist ihr auch hoch anzurechnen, dass sie nochmals selbst zu uns an Bord kam, um dies mitzuteilen. Sie hätte auch einfach eines ihrer Teammitglieder schicken können.
Beruhigt konnten wir den Abend bei einem kurzen Spaziergang durch Glückstadt geniessen und fanden sogar noch um 22h einen Eisladen, der uns zwei Cornets verkaufte.
Am Donnerstagmorgen, dem 23.6. hatte ich eine zweistündige Abschlussprüfung über Zoom eines Lehrgangs, den ich in den letzten 1.5 Jahren absolviert hatte. Das war der Grund gewesen, warum es mir wichtig war, an diesem Tag an einem Ort mit Strom und gutem Internet zu sein. Glückstadt bietet übrigens für Touristen für 3 Tage kostenloses Wlan an. Ich nutzte dann zwar meinen Hotspot, aber das Angebot finde ich trotzdem sehr schön.
Der Skipper verzog sich von Bord in der Zeit und ging einkaufen. Bald nach seiner Rückkehr zog es uns dann trotz fehlendem Wind hinaus aufs Wasser. Es lüftelte eine nur ganz schwache Brise, die teils vom Strom wieder aufgehoben wurde und in der Sonne wurde es richtig heiss – Bikiniwetter! Wer hätte das gedacht? Sehr gemütlich tümpelten wir Elbe-abwärts zur Oste-Mündung. Es eilte nicht, denn wenn wir zu früh wären, wäre Niedrigwasser auf der Barre dort, die in der Karte als trockenfallend angegeben ist. Bänz hatte aber im Mai mit unserem Freund Felix und seiner Arctic Breeze diese Barre eine Stunde nach Niedrigwasser mit 4m Tiefe passiert. Ich wollte ihm das nicht so recht glauben, aber probieren konnten wir es ja trotzdem, denn der Wetterbericht für die Nacht war schön und ruhig.
So zielte er genau auf der Linie mit starkem Vorhalte-Winkel in die Mündung. Das Echolot (das die Wassertiefe misst. Und wir haben 2m Tiefgang) sprang von 10 auf 3m, dann 2.8, 2.7, 2.5, 2.3, 2.2… ich konnte schon gar nicht mehr auf die Anzeige schauen. Aber auch der Skipper zog hier dann die Bremse und fuhr wieder hinaus. Zweiter Versuch, etwas rechts von der Linie… 3, 2.8, 2.6, 2.5, 2.3… 2.3… ich schaute aufs Wasser… und als ich das nächste Mal drauf schielte, war es schon bei 2.7 und steigend. Dass sich 2.7m Tiefe plötzlich nach viel anfühlen können, finde ich ein interessantes Phänomen. 😊 Wir tasteten uns dem betonnten Wasserweg entlang bis zu einem «Pool» in der Einfahrt, getrennt von der Elbe durch die Sandbank, über welche wir gerade geschlichen waren, aber noch vor der eigentlichen Küste. Dort ankerten wir, äusserst friedlich im Sonnenschein, auch wenn uns die Strömung mit dem Heck zum Wind hielt und für ein kühles Znacht im Cockpit sorgte. Ein sehr friedlicher Abschluss des Tages.