Der Wetterbericht hatte es ahnen lassen, aber wir wollten es nicht wirklich glauben, bis wir dann doch mit der Realität konfrontiert sind: für die nächsten 60 SM von Lybster nach Inverness im Südwesten ist am Montag, 4. Juli Am-Wind-Segeln bei ca. 5 böigen Bft aus West angesagt.
Die Böen erfordern diverse Segelwechsel, bzw. Ein- und Ausreffmanöver. Das hält warm, ist aber auch ermüdend, nebst dem sowieso schon anstrengenden Kurs gegen die Wellen. Plötzlich ein Schrei von Bänz: «Schnell, nimm eine Leine und binde den Anker fest!» Die folgende Viertelstunde auf dem Bug vorne, der immer wieder mal in die Wellen eintaucht, fühlt sich an wie U-Boot-Fahren mit geöffneter Luke. Aber der Anker ist wieder festgebunden und ich hoffe sehr, dass wir ihn nicht plötzlich brauchen – dann muss der Bändsel wohl durchgeschnitten werden… Der ursprüngliche Gurt zu seiner Befestigung war gerissen und er war aus seiner Halterung gefallen und hätte uns vorne ein ziemliches Loch in den Bug schlagen können.
Von der Fahrt gibt es keine Fotos – zu nass und eigentlich auch nichts zu sehen ausser den tausend Grau- und Grüntönen des Wassers und vielen vielen Vögeln. Die unterhalten uns aber bestens; die braun-weissen etwas grösseren Cousins der Puffins, wir glauben sie heissen Guillemots, sind genau so tolpatschig unterwegs wie die Papageientaucher. Sie können viel besser unter Wasser schwimmen als fliegen. Jeder Start und jede Landung wird zur Glücksache. Beim Start rennen sie los übers Wasser und flattern gleichzeitig mit ihren Flügeln. Wenn sie Pech haben, hängen sie mit einem ihrer Flügel an einem nächsten Wellenkamm an und stürzen ab. Oft mehrfach hintereinander, bis sie sich daran erinnern, dass sie unter Wasser ja eigentlich schnell und elegant unterwegs wären. Auch ihr Flügelschlag erinnert eher an ein Propellerflugzeug als an einen Gleiter. Bei der Ausgabe der Aerodynamik standen sie wohl eher hinten in der Schlange. Uns soll es recht sein; so gibt es immer wieder etwas zu lachen auf diesem sonst ziemlich aufreibenden Kurs.
Gegen 21h kommen wir zum Ende des Moray Firth und fahren in die Einfahrt nach Inverness. Nochmals müssen wir über eine grosse Sandbank kreuzen, bevor wir endgültig bei der grünen Boje vor der Kessock Bridge stehen und für die letzte halbe Meile den Motor nehmen. Es ist noch immer taghell als wir gegen 22h in der Inverness Marina fest machen und gleich von drei freundlichen Schotten in Shorts (!) in Empfang genommen werden. Ihr Kommentar: «A bit breezy today, wasn’t it?» Spannend wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sind. Wir hätten das heute wohl eher als windy bezeichnet, und nicht nur als breezy. Sowohl sie als auch die beiden älteren Segler auf dem Boot gleich vor uns am Steg versorgen uns ungefragt sogleich mit den Codes für das Tor zur Marina und die Showers, geben hilfsbereit Auskunft über das Schleusenprozedere und sind auch sonst äusserst unterstützend. Es ist schön, so hier anzukommen!
Das Schiff (und die Crew im Oelzeug) bekommt zuerst eine ausgiebige Süsswasserdusche und danach, bzw. nach dem späten Ankertrunk, geht auch die Crew gegen Mitternacht unter die heisse Dusche. Eine Wohltat. Einmal mehr wird mir bewusst, wie viel Luxus in den kleineren Dingen steckt. Noch mehr Luxus kommt nachher als ich mich wohlig unters warme Duvet verkriechen kann. Wir schlafen wohl alle schon, noch bevor der Kopf das Kissen ganz erreicht hat.