Wir werden das Déja-vu-Gefühl bei diesem Abschnitt nicht so recht los. Und das ist auch eine der (zugegeben, schwachen) Ausreden dafür, dass dieser Bericht so lange auf sich hat warten lassen; es gibt gefühlt nicht sehr viel zu berichten.
Kaum hatten wir das ersehnte Päckchen in Oeiras in Empfang nehmen können, gings noch am Nachmittag des 6.9. gleich los nach Süden; Ziel Sesimbra. Ein hübscher Ort, fanden wir, mit einer wahrscheinlich gut betuchten Marina mit luxuriösen Facilities. Per Zufall kamen wir hinter dem grossen Fischerei-Areal zu einer sehr einfach wirkenden Fisch-Beiz und liessen spontan den Steinpilz-Risotto-Plan fallen. Wie sich im Verlauf des Abends zeigte, eine sehr gute Entscheidung. Von der alleinstehenden alten Dame, der das Personal aus dem Taxi und ins Restaurant helfen kam, über viele grosse und grössere Familien, bis zu den frischverliebten Paaren, kam offensichtlich ganz Sesimbra hierher. Wir waren – so vermuten wir – die einzigen ausländischen Touristen im Raum.
Weiter gings dann nach Sines, das wir vor drei Jahren kennen- und schätzen gelernt hatten. Wir legten dort am Anker wieder einen Tag Pause ein, um auf den Wind zu warten, aber fuhren dann am übernächsten Tag trotz Windstille und Nebel wieder los, um noch vor den Überresten des Hurricanes «Danielle» ums Cabo Sao Vicente in die Algarve zu gelangen.
In Sines hatten wir nach längeren Recherchen eine 6-Kg-Kunststoff-Propangasflasche erstanden, weil wir jeden Moment damit rechnen, dass diejenige, die wir seit Rendsburg mitführen, dann mal leer sein wird, und wir niemanden finden konnten, der die auffüllen könnte (bzw. dürfte – das ist in Portugal anscheinend ebenso verboten wie in Irland). Mit etwas Würgen sollte die neue Flasche plus Adapter auch ins Gasfach in der Backskiste passen – das musste noch nicht getestet werden, denn die deutsche Flasche ist noch immer in Betrieb.
Die lange Fahrt von Sines bis ans Cabo Sao Vicente entpuppte sich dann doch nicht als so Motor-lastig wie befürchtet; wir konnten nach ein paar Stunden Nebelfahrt den Gennacker setzen und nahmen ihn erst wieder gleich vor dem Kap herunter, als der Wind kurz einschlief. Um dann – wie so oft bei solchen Kaps – mit doppelter und dreifacher Kraft auf böige 6 Bft aufzudrehen. Er blies dann auch die ganze Nacht so weiter, während wir in Sagres gemeinsam mit 3 anderen Jachten dort vor dem Strand am Anker tanzten. Plötzlich rumpelte es im Dunkeln an unserer Bordwand; zwei junge Deutsche (deren Namen für uns so ungewohnt waren, dass wir sie uns peinlicherweise nicht merken konnten) vom kleinen Nachbarschiff waren auf einen Besuch gekommen. Sie waren kurz vor uns in der Bucht angekommen und hatten soeben die Rückfahrt von den Azoren hinter sich. Ein kaltes Bier liessen sie sich nicht entgehen und so gab es ein spannendes Gespräch über ihre Erfahrungen mit den beiden. Faszinierend, mit wieviel frischer Unbekümmertheit und Improvisationswille die beiden ihre Reise gestalteten. Selbst gebastelte Windsteuer-Anlagen, in separaten Bahnen geflickte Segel, oder auch ihre spontane Entscheidung, angesichts des heissen Sommers das Mittelmeer zu verlassen und auf die Azoren zu segeln, haben mich ebenso beeindruckt wie ihre Offenheit und Kontaktfreudigkeit, so kurz nach ihrer (und unserer) Ankunft gleich mal beim Nachbarn klopfen zu gehen.
Von Sagres gings dann an meinem Geburtstag nach Lagos, wo wir für die 2 Nächte, an denen die Danielle-Resten angesagt waren, einen Hafenplatz reserviert hatten. Begleitet von fröhlichen Delphinen ging’s der «löchrigen» Algarve-Küste entlang. Es herrschte Geburtstagswetter, das am Anker vor dem Strand von Lagos sogar zu einem kurzen Bad einlud. Kurz, weil trotz Algarve auch hier das Wasser noch immer erst 14 Grad kalt war. Abends gings dann zum Geburtstagsessen in die kleine versteckte Fischbeiz, die wir vor 3 Jahren zufällig entdeckt und als unseren Geheimtipp in bester Erinnerung behalten hatten. Ein rundum glücklicher und gelungener Tag.
«Danielle» bescherte der Algarve einen gewittrigen Tag mit sintflutartigem Regen, bei dem alle paar Minuten die Bombeiros ausrücken mussten. Da gab es wohl viele Überflutungen, nach einer so langen trockenen Zeit. Wir verbrachten den Tag mit einem gründlichen Bodenbretter-Putz für sea magiX und einem ausgiebigen Besuch in der sehr gut bestückten Chandlery von Lagos. Fast hätten wir ein neues Dinghy gekauft, aber wir waren dann doch nicht so überzeugt vom Angebot und noch schwimmt unser altes kleines Rotes ja. Es zeigt nur allmählich immer neue Altersbeschwerden und verliert jetzt auch noch Luft aus mindestens einem der Schläuche… Aber noch haben wir keinen Notfall, deshalb wollen wir uns nicht für etwas entscheiden, das nicht wirklich alle erwünschten Kriterien erfüllt.
Nach dem Abzug der Haupt-Wetterstörung und einigen Schritten durch Lagos gings dann am Dienstagvormittag, dem 13. September, wieder hinaus aufs Wasser, wo uns eine wunderbare Brise und schönstes Wetter ostwärts blies. Und weil es gerade so schön lief, beschlossen wir, gleich dran zu bleiben und zur Einfahrt von Faro zu zielen. Die riesige Lagune vor Faro füllt und entwässert sich durch nur ganz wenige Eingänge und deshalb ist es wichtig, dort im richtigen Moment anzukommen, weil man gegen den Strom keine Chance hat und auch nicht unbedingt im stärksten mitlaufenden Strom unterwegs sein möchte. Wir wussten, dass es knapp werden könnte für unsere Ankunft dort am Eingang und so versuchten wir, jeden Zehntelknoten Geschwindigkeit herauszuholen. Auch der Gennacker kam zum Einsatz und es wurde äusserst genau und konzentriert gesteuert, um keinen unnötigen Zusatzweg zu machen… Es wurde sehr spannend; würde es reichen oder nicht? Für falls nicht hatten wir keinen besonders überzeugenden Plan B – wohl nur zurück nach Villareal, wo man auch im Dunkeln und bei jeder Tide hineinkommt. … und es reichte; punktgenau auf 30 Minuten nach Hochwasser, also ganz kurz vor dem Kentern (Umkehren) der Strömung erreichten wir die Einfahrt. Und wurden vom noch immer stark hineinfliessenden Wasser in die Lagune gespült, konnten noch im schönen Abendlicht bis vor Culatra segeln und dort im wunderbar ruhigen Wasser ankern. Wir genossen den perfekten Abend im Ankerfeld bei Grillfleisch und Couscous wohl umso mehr, weil es so knapp gewesen war.
Am Mittwochmorgen gings relativ früh los, um eben nicht in die stärkste ablaufende Strömung zu geraten. Trotzdem stand an der Einfahrt schon eine furchterregende Welle; der Schwell aus Süden von Danielles Störung lief hier – auch bei nur ganz wenig Wind – gegen die ablaufende Tide aus der Lagune an und sorgte für eindrückliche Bilder. Ich hatte wohlweislich das Steuer an meinen beim Wasserlesen absolut talentierten Skipper übergeben und hielt mich einfach nur fest, während uns das Wasser hinaustrug und Bänz zwischen den beiden Walzen hinauszirkelte. Chapeau – es spritzte sogar nur so wenig, dass ich den Fotoapparat nicht weit versorgen musste. Und puh; wie sieht es hier wohl bei starkem Südwind und -Schwell aus? Das wollen wir beide nicht erleben!
Und wieder blies uns der Wind weiter ostwärts als gedacht; am zweiten Tag hatten wir die ganze Algarve gequert, mal wieder von der portugiesischen auf die spanische Gastlandflagge gewechselt, kurz sogar Leonie aus der Untätigkeit geholt, dann wieder den Genni gesetzt, und liefen am Abend – auch wieder etwas knapp, aber diesmal wegen der allmählich einsetzenden Dämmerung – im Spanischen Chipiona ein. Von hier aus wollten wir den Rio Guadalquivir hinauf, um Sevilla zu besuchen. Daraus wurde aber vorerst nichts, denn die Tide für den Flusslauf hinauf war gerade ziemlich ungünstig gelegen, so dass wir nur einen halben Tag bei Tageslicht unterwegs sein könnten. Stattdessen beschlossen wir, am nächsten Tag gemütlich die wenigen Meilen weiter südwärts zu segeln, um ein paar Tage bei/in Cadiz zu verbringen und danach bei besser passenden Zeiten nach Chipiona zurück zu kehren.
So hatten wir am Donnerstagmorgen (bei Nebelwetter auf dem Wasser, aber Sonne an Land) kurz Zeit, um durch die Gassen von Chipiona zu spazieren und einen ersten Eindruck zu gewinnen. Der zeigte: hier möchten wir gerne nochmals herkommen, um etwas mehr von dem sympathischen Ort zu sehen. Offensichtlich geht es gegen Saisonende zu; die Restaurants wirkten etwas verlassen. Aber trotzdem; der Ort scheint uns anziehend und sympathisch.
Die Marina ist etwas kompliziert, weil man für jede Türöffnung entweder den Marinero auf seinem Handy anrufen und erreichen muss, damit er öffnen kann, oder sonst zum Klettern gezwungen ist. Das ist ja ganz ok bei den Aussentüren, aber wenns dann ums WC und die Duschen geht, wird das Ganze etwas angespannter. Die beiden Diensthabenden, mit denen wir zu tun hatten, waren äusserst freundlich und bemüht, auch wenn wir ein paar Verständigungsschwierigkeiten hatten, weil unsere Umstellung auf Spanisch noch nicht gelingen wollte und sie noch weniger Englisch beherrschten als wir Spanisch.
Am Donnerstagnachmittag gings dann bei inzwischen wieder blauem Himmel und passender Brise weiter um die Ecke und mit dem Genni in die Bucht von Cadiz hinein. Wir ankerten vor dem schönen Badestrand von Puerto de Santa Maria bzw. Puerto Sherry mit Blick auf Pinienwald und Sandstrand auf der einen Seite und die weissen Häuser und die geschwungene Brücke von Cadiz auf der anderen. Und: das Wasserthermometer zeigte unglaubliche 22.9 Grad Temperatur. Klar, dass dies mit einem Bad im Meer honoriert wurde!
Einmal mehr ein Privileg, solche Abende geniessen zu können.