Am Freitag noch von St. Malo losfahren war nach der Entdeckung des Risses im Wassertank keine Option mehr. Gleichzeitig verteilte das Team der Marina Bas Sablons in Sichtmäppchen eingehüllte Flugblätter mit einem «avis de coup de vent», d.h. Sturmwarnung, und der Aufforderung an die Boote aussen am Besuchersteg, sich um eine geschütztere Liegemöglichkeit zu bemühen. Auch der Marina-Staff half dabei. Für uns konnte ein Plätzchen bis Sonntagmorgen um 10h innen im Hafen gefunden werden. Wir verlegten gleich noch am Freitagabend, und legten einmal mehr alle unsere Ruckfender aus. Das erwies sich am Samstag im Verlauf des Tages als sehr sinnvolle Entscheidung; einmal mehr gabs Windstärken mit mehr als 40 Knoten – im Hafen. Die Boote, die nicht so viel Glück (oder Voraussicht oder schon gemachte Erfahrung) wie wir hatten, und am Besuchersteg bleiben mussten, hatten danach mit sehr viel Wind, Schwell und fliegendem Wasser zu kämpfen.
Einmal mehr waren wir von den Bemühungen des Marina-Teams beeindruckt und froh, dass wir davon hatten profitieren können. Etwas überrascht waren wir, dass ausgerechnet bei diesem unwirtlichen Starkwindwetter beide Seenotrettungsboote im Hafen, d.h. innen an der Schwelle vertäut waren. Sie hofften wohl, dass niemand ihre Hilfe bei Niedrigwasser benötigen würde.
Ein ähnliches Geheimnis war uns die Sicherung des Polizeibootes: nebst den Leinen hatten die Verantwortlichen auch ein kleines Kabelschloss um die Reling angebracht… Ob sie Angst hatten, dass ihnen das Boot geklaut würde? Das Schloss sah nicht sehr viel beeindruckender aus als jenes, mit dem wir unser Dinghy ab und zu gesichert hatten…
Die Reparatur des Wassertanks war ein tagesfüllendes Arbeitsprogramm. Mit den Leihvelos gings zuerst (teilweise schon gegen viel Wind) quer durch die Agglomeration von St. Malo zum nächsten Bricomarché. Dort verbrachten wir viel Zeit auf der Suche nach Reparaturmaterial (PE, d.h. Polyethylen kann anscheinend nicht geklebt werden, sondern nur geschweisst…) und vor allem neuen, breiteren und unbeweglichen Montagemöglichkeiten für den Tank, damit er sich nicht bald schon wieder durchscheuert. Abenteuerlich dann die Fahrt zurück gegen den inzwischen schon fast bei Sturmstärke angelangten Wind mit einem 2m-Alu-Winkelprofil am einen Velo und zwei 40 x 120 cm Sperrholzplatten am anderen.
Mit einem als «Opfermaterial» gekauften kleinen Wasserkanister übte der Skipper zuerst das Schweissen, dann nutzte er ein Stück von dessen Henkel und schweisste den Riss damit zu. Das Schweissgerät: der Heiss-Leinenschneider. Mit den Holzplatten und Alustangen wurde eine neue Auflage für den Tank gebaut (nachdem darunter der Dreck von 20 Jahren Unzugänglichkeit weggeputzt worden war – wenn er dicht bleibt, kommt man vielleicht die nächsten 20 Jahre wieder nicht hier dran).
Nach einem zweiten, ebenso erfolgreichen Besuch im Bistrot du Bulot wurden nachts die Arbeiten noch abgeschlossen, der Tank eingebaut und fixiert und gefüllt, während es draussen kachelte und am Boot und am Rigg rüttelte. Mit Spannung warfen wir immer wieder den Blick in die Bilge, aber die blieb brav trocken. High five!
Auch am Sonntagmorgen pfiff es noch in den Riggs im Hafen, aber es war deutlich abnehmend und schon bei nur noch etwa 5-6 Bft angekommen. Weil wir unseren E59-Platz bis 10h freigeben mussten, suchte uns das Team einen neuen Platz und Coralie rief extra an, um ihn uns mitzuteilen. Einmal mehr – wow, super service! Unterdessen gingen an Bord die Diskussionen hoch zu und her. Der Skipper hatte inzwischen genug vom Landleben, die Crew hatte keine Lust auf unnötiges Hacken draussen, traute aber auch den Möglichkeiten in der Rance nicht so recht, da uns dazu ein paar Informationen fehlten, die wir gemäss Reeds vom Hafenbüro bekommen sollten, aber das Hafenbüro wusste nichts davon. Schliesslich setzte sich der Skipper durch mit dem Programm «nur mal raus schauen gehen und wenns nichts ist, kommen wir wieder zurück» (naja, ich weiss ja inzwischen, dass wir wohl noch nie signifikante Strecken zurück gesegelt sind irgendwo…).
Aber der Kurs zu den Iles Chausey war tatsächlich nicht so hoch am Wind wie befürchtet, auch wenn es nicht so ganz ohne Spritzen und Holpern ging, wie sich der Skipper das ausgemalt hatte. Trotzdem – als die Sonne sich mal wieder zwischen den Wolken hervor wagte und der Wind noch ein wenig mehr nachliess, wurde die Fahrt schon fast versöhnlich nach den letzten paar Tagen.
Die Iles Chausey sind eigentlich ein Felsplateau. Faszinierend wie in der ganzen Bucht von St. Malo sind bei Hochwasser nur ein paar wenige Felsen und die winzigen Inselchen mit wenigen Häusern, der Kapelle und dem Restaurant über Wasser sichtbar. Und bei Niedrigwasser zeigt sich eine ganze Landschaft von Sandstränden, Buchten und vielen Felsen. Die sonst umspülten Seezeichen stehen dann hoch auf dem Trockenen und die kleinen Boote an ihren Bojen am Strand legen sich auf ihre Seite in den Sand. Im etwas tieferen Wasser in der Rinne zwischen den Felsen sind einige Bojen verlegt, an denen sich die Besucher jeweils hinten und vorne festmachen, damit sie beim Drehen der Tide brav in Längsrichtung liegen bleiben. Das Wasser strömt mit viel Kraft durch die Rinne. Ein faszinierendes Schauspiel.
Ebenfalls für Schauspiele sorgten am Abend bei der Stromkenterung dann die Boote an den Bojen: zuhinterst hatten sich nämlich drei grosse Jachten ins Päckchen gelegt – wohl zu gross für die Bojen. Als der Strom bei Niedrigwasser drehte, schob er das grosse schwere Päckchen von hinten auf die nächsten Jachten.
Wir waren erst im übernächsten Raft und konnten das ganze Theater mit etwas mehr Ruhe und nur einem Fender in der Hand beobachten, aber für die drei dazwischen waren das ungemütliche 1.5 Stunden. In der Nacht, als der Wind bei Hochwasser wieder über die Felsen kam, ruckte und zerrte unser Nachbar (es ist hier üblich, bis zu 3 Boote zwischen 2 Bojen zu legen) sehr an unseren Klampen, die Fender quietschten und sea magiX schüttelte sich ab und zu – es war sehr unruhig und wenig Schlaf-förderlich.
Morgens suchten wir noch vor der Stromkenterung das Weite und machten fürs Frühstück noch an der Boje des Ausflugsschiffs fest, das die Touristen tagsüber von Granville zu den Chausey Inseln bringt. Hier war es wunderbar friedlich. Die Sonne zwinkerte zwischen den Wolken durch, das Wasser strömte und plätscherte, die Oystercatchers stolzierten entlang den sich langsam mit Wasser füllenden Stränden, einzelne Fischer tuckerten mit ihren kleinen Booten freundlich grüssend vorbei. Stimmt, so kann es auch sein hier!
Etwas später war der Wasserstand so weit gestiegen, dass wir die östliche Passage durchs Felsplateau nehmen konnten. Wie immer spannend: «noch ein wenig weiter nach backbord – jetzt wieder 20 Grad steuerbord – ok, so weiter», etc. Obwohl die Quadranten auf der Karte recht nah beieinander wirken, kann man eben doch nicht einfach so vom einen zum nächsten fahren. Da liegen jeweils noch ein paar Felsen dazwischen… und viel mehr Wasser, mit gehörigen Strömungen, als das Kartenbild einen ahnen lassen könnte. Mal wieder anschaulicher Navigationsunterricht. Ich bin trotzdem froh und erleichtert, als wir am Nord-Ende der Rinne herauskommen und den Kurs nach Nordosten in Richtung Jersey legen können.
Ein weiterer versöhnlicher Tag mit gemütlichen 3-4 Bft Wind, etwas Sonne und wenig Welle folgt. Wir haben uns an der Nordost-Ecke von Jersey soeben geeinigt, dass wir versuchen wollen, den schönen Wind bis Sark zu nutzen, da dreht er auf und auch gleich wieder voll auf die Nase. Neee… 20 SM so gegenan? Brauchen wir wirklich nicht! Also abfallen – der Skipper will zu den Les Ecrehou. Ebenfalls ein Felsplateau wie die Iles Chauesey, nur noch etwas extremer: noch weniger zusammenhängendes Land, noch mehr Felsen draussen im Nichts, und sehr viel Strömung. Das merken wir, als wir mit dem Wind da hinunter gondeln wollen – wir fahren fast rückwärts! Es folgen 1.5 angespannte Stunden, in denen wir alles machen, was wir in unseren Kursen für den Hochseeschein den Teilnehmern aus-reden. Gegen den starken Strom, durch diverse Races und Eddies, im Stromluv nah bei vielen Felsen… Auch da bin ich sehr froh, als wir uns mit ca. 2kn über Grund (bei ca. 6kn durchs Wasser) endlich zum Eingang in die Les Ecrehou gemogelt haben. Der ist einmal mehr nur auf der Karte sichtbar. Innen finden wir im Durchgang eine freie gelbe Boje und nehmen mal an, dass sie für Besucher sei. So liegen wir im starken Strom, aber durch die Häuschen und den Kiesstrand von Marmotier gut vom Wind geschützt, und lassen das Wasser an uns mit 1.5-2kn vorbeiziehen. Jetzt nur nicht ins Wasser fallen! Und – hoffentlich hält die Boje…
Die Les Ecrehou sind wirklich beeindruckend abgelegen: sie bestehen aus einer einzigen bebauten etwas grösseren Insel (Marmotier) von bei Hochwasser vielleicht 1000m2 und bei Niedrigwasser sehr viel mehr, sowie wie schon erwähnt vielen Felsen und Sandbänken, die bei Niedrigwasser auftauchen und bei Hochwasser verdeckt sind. Der Tidenhub hier ist jeweils um die 9m, also so hoch wie ein dreistöckiges Haus – da kann schon einiges darunter verschwinden oder eben wieder hervor kommen.
Auf Marmotier sind etwa 10 Cottages, fast alle miteinander verbunden und zusammen gekauert gegen den Wind. Die Häuschen scheinen auch jetzt im August nicht bewohnt zu sein. Wir sind alleine mit dem stark strömenden Wasser, den Vögeln, Felsen und den jetzt verstärkt aufziehenden Wolken. Eine Welt für sich…