Von Updates, mysteriösen Abfangleinen und dem portugiesischen Little Venice

Die Marina do Douro in Porto verfügt über ein WiFi, das den Skipper dazu animierte, unsere Navigationsgeräte mal wieder mit einem Update zu füttern. Das WiFi war bald überfordert, der Update wurde unterbrochen und dann via mein schier unerschöpfliches Roaming-Abo wieder aufgenommen. Was wir dabei nicht realisierten, haben wir am Montag nach unserer Abfahrt von Porto bald festgestellt: unsere Geräte kommunizieren nicht mehr miteinander. Der Plotter (und Radar) zeigt – zum Glück – noch immer seine Angaben an. Und die anderen Geräte (Windmesser, Echolot, d.h. Tiefenmesser, Logge, d.h. «Tacho» und auch Kompass zeigen ebenfalls ihre Daten weiterhin an. Aber die kleine schwarze Box, welche die Daten von der einen Seite an die andere Seite überlieferte, ist verstummt. Der Update war ihr wohl zu viel, oder vielleicht auch die Unterbrechung mitten drin. Einmal mehr wird klar: never change a running system…

Der Skipper erstellte diese Diagnose während wir bei wenig Wind nah an der Küste entlang südwärts segelten. Es sind endlos wirkende Sandstrände, teils menschenleer, teils mit einzelnen Badenden und ab und zu in Ortsnähe sogar mit ausgeschilderten und bewachten Badestränden. Wir wollen möglichst selten wenden, weil uns der Kurs nach der Wende bei so wenig Wind nördlich führt, also weg vom Ziel. Drum wird so lange wie’s nur geht im Bereich der 20m-Linie gesegelt. Gelegentlich schläft der Wind unter die 5-Knoten-Marke ein und der Motor muss kurz ran, damit wir noch vor Hochwasser an unserem nächsten Ziel, der Einfahrt nach Aveiro ankommen. So sind wir auch gerade unter Motor und dem Autopiloten «Erich» unterwegs, als sea magiX plötzlich bremst und sich «verneigt». Paddy stürzt zum Rad und kuppelt aus: «Was ist denn da los?!». Erst dann sehen wir eine Leine wenig unter der Wasseroberfläche, an der wir mit dem Kiel hängen geblieben sind. In ihrer unmittelbaren Nähe sind aber keine Bojen oder Fähnchen sichtbar; erst etwa 100m weit entfernt schwimmt eine weisse Fenderboje. Die Leine ist richtig gespannt und gab trotz den 5kn Fahrt, mit denen sea magiX in sie hineingefahren war, nur wenig nach. Zum Glück können wir uns von ihr losmanövrieren, hinaus um die – nicht sichtbar mit ihr verbundene – Fenderboje motoren und danach wieder Kurs aufnehmen. Wir zerbrechen uns noch jetzt die Köpfe, was das sein konnte, haben aber bisher noch keine vernünftige Erklärung dafür gefunden. Nur sind wir jetzt noch etwas aufmerksamer in der Umgebung von Bojen und Fischerfähnchen. Aber wie gesagt – die Leine hätten wir unter keinen Umständen rechtzeitig sehen können, sie hatte von Anfang an ein wenig unter Wasser quer zum Ufer gelegen.

Nach dem Schreck segeln wir dann aber unbehelligt und schön rechtzeitig eine Stunde vor Hochwasser um die grosse Mole von Aveiro und werden mit dem einlaufenden Wasser so richtig in den dahinter liegenden Fluss mit dem riesigen Wattgebiet «gesogen». Aveiro ist ein Lagunengebiet von etwa 14SM Länge und an der breitesten Stelle etwa 4 SM Breite. Und all das Wasser, das diese Lagunen bei Hochwasser füllt, strömt zwischen den Hafenmolen am Eingang hinein bzw. bei ablaufender Tide dann wieder hinaus. Da hätte unser 30-PS-Diesel keine Chance, wenn wir da im falschen Moment ankämen und dagegen motoren möchten. Drum ist die Berechnung der richtigen Ankunftszeit ziemlich wichtig und wir sind froh, dass Wind und Wetter mitmachten. Wir folgen dem Canal Principal de Nevegação die 4 SM Flussaufwärts bis zum Segelclub AVELA, der da oben einen Schwimmponton hat. Kurz davor hängt noch eine Stromleitung über den noch immer zügig nordwärts ziehenden Fluss, bei dem sich die Höhen-Angaben in Karte, Yachting Pilot und Plotter ein wenig widersprechen. Wenn die eine mit 18 m stimmt, dann könnte das für unseren Mast mit Lichtern, Windex und VHF-Antenne ziemlich knapp, bzw. zu wenig werden. Und wenn die andere mit 21 m stimmt, dann haben wir 2 m Spielraum. Der Skipper steuert ganz links dem Ufer entlang, wo es zwar weniger Wassertiefe hat, aber jetzt bei Hochwasser eigentlich reichen sollte, und der Strommast näher am Wasser ist, so dass wir nicht beim tiefsten Durchhang ankommen. An Bord wird’s still. Reichts? Reichts nicht? Die Strömung zieht uns etwas weg vom Ufer, mehr zur Mitte mit dem Durchhang hin. Das Echolot zeigt 2.7m. Reichts??? Ja, es reicht. Cool meint Bänz «ja, da haben wir ja ewig viel Platz!». Naja… die Definition von «ewig viel» ist wohl etwas subjektiv 😊.

Am Steg des AVELA Cruising Clubs werden wir sehr freundlich empfangen und gleich mit dem Code fürs Tor versorgt, wie auch mit der Info, dass César, der Barkeeper im etwas baufällig wirkenden Clubraum und gleichzeitig Hafenmeister montags frei hat, aber am Dienstag können wir die Übernachtung und alles andere dann mit ihm regeln. Wir spazieren zum Ort Aveiro dem Kanal entlang, der ab hier mit einer Schleuse von der offenen Lagune abgetrennt ist. Unterwegs können wir an den hilfreich auf Portugiesisch und Englisch geschriebenen Plakaten das Funktionieren der hiesigen Salinen nachlesen. Sie sind noch immer in Betrieb, aber heutzutage hauptsächlich zu Tourismus-Zwecken. Später erfahren wir, dass hier bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts Salz noch immer als das weisse Gold gehandelt worden war. Heute bekomme man aber für eine Tonne Salz nur noch 90 Euro und kann davon in dieser sehr Personal-aufwändigen Form nicht mehr leben. Weiss leuchten die kleinen und grösseren Salzhaufen im goldenen Abendlicht und die langbeinigen Vögel stolzieren darin umher; als Fotomotiv wirken sie heute sehr schön.

Den Dienstag, 30.8. haben wir uns fürs Sightseeing in Aveiro reserviert. Wir finden das Städtchen mit seinem verwinkelten Kanalsystem sehr malerisch heute und stellen uns gleichzeitig vor, wie das bis vor wenigen Jahrzehnten gewesen sein muss, als die Schleuse beim AVELA-Club noch nicht bestand und die unteren Stadtgebiete regelmässig überflutet wurden, und wie das wohl gestunken hat, wenn das Wasser bei Niedrigwasser verschwand und der darunter liegende Schlamm an die Luft kam.

Entsprechend sind auch heute noch die Quartiere im flachen Stadtgebiet als Arbeiterquartiere erkennbar, mit den Hausnummern oft knapp 5 m auseinander, während auf dem etwas erhöhten Gebiet, das nie überflutet wurde, die grossen, stattlichen und reichen Häuser zu sehen sind, die Strassen breiter werden und mit schönen Mosaiken verziert sind und die Administrationsgebäude wie das Gericht und das Rathaus repräsentierend thronen.

Wir leisten uns eine Kanalfahrt in einer der unzähligen farbigen Gondolas mit «Antonio». In vier Sprachen (Portugiesisch, Spanisch, Französisch und Englisch) erklärt er uns viel Wissenswertes über die Stadt. Wir sind sowohl von seinen Sprachkenntnissen, als auch von seiner lebendigen Erzählweise sehr beeindruckt. Das Kanalsystem wird zweimal im Monat, jeweils bei Springhochwasser, gespült, d.h. die Schleuse wird geöffnet und bis zum Niedrigwasser leeren sich die Kanäle vollständig und füllen sich dann mit der steigenden Tide wieder bis zum Hochwasser. So bleibt es immer recht frisch. Antonio demonstriert uns die Klarheit des Wassers mit einem durchsichtigen Becher. Spring war gerade vor drei Tagen, also kein Wunder, dass es noch immer ziemlich klar ist.

In der ehemaligen Kachel-Fabrik ist heute ein Kongresszentrum und das Hotel gleich daneben ist so hoch wie die Wellen in Nazaré, das unter Surfern sehr beliebt ist. Puh, 30 m? Da sollten wir wohl dafür sorgen, nicht im falschen Moment dort mit sea magiX unterwegs zu sein! Uns faszinieren die vielfarbigen schönen Kacheln der Häuser (Antonio: «The Portuguese way of avoiding too much work. We prefer clever solutions to working hard.»). Normal verputzte Fassaden müssten in diesem salzhaltigen, immer feuchten Klima am Atlantik jedes Jahr renoviert und neu gemalt werden. Die Kacheln können einfach abgewaschen werden. Auch sonst ist Aveiro sehr bunt und fröhlich aufgemacht, mit den roten, orangenen, gelben und blauen Gondolas (teils mit sehr anzüglichen Bildern am Heck und Heiligenbildern am Bug), den farbigen Bändern (statt Schlössern) unzähliger Liebespaare an den Brücken und den vielen Touristen jetzt zur Hochsaison.

An jeder Ecke ist ein Café, eine Bar oder ein Restaurant, dazwischen Kapellen und Kirchen, der Fisch- und der Gemüse- und Blumenmarkt, aber auch die modernen Shopping Malls, und über allem liegt der Duft von gegrilltem Fisch und Knoblauch.

Wir geniessen den Touristentag und gönnen uns noch ein feines portugiesisches Helado, aber lassen die Finger von den «ovos moles», einer «weiche Eier» genannte hiesige süsse Spezialität.

Zurück im Club AVELA erzählen uns die etwas in die Jahre gekommenen Founding Fathers des Clubs alles Mögliche über ihre vergangenen Segelabenteuer, César bekommt € 22.50 für unseren bequemen Aufenthalt am Steg mit Wasser und Strom und WiFi («it is not broadband, sorry…»), und vor der Abfahrt gibt’s für alle noch eine Cockpit- bzw. Stegdusche.

Hochwasser ist etwa um 19h und kurz darauf lösen wir in der schönen Abendsonne die Leinen, steuern wieder unter dem Kabel durch und kreuzen dann mit der Genua mit dem allmählich ablaufenden Wasser die 4 Seemeilen zurück in Richtung Fluss-Ausgang zur kleinen Lagune von São Jacinto. Unterwegs gilt es noch, einzelne Muscheltaucher zu umfahren, die hier mitten im Fahrwasser mit Tauchgeräten unterwegs sind. In São Jacinto können wir für die Nacht ausserhalb des Stroms gemeinsam mit 3 anderen Jachten ankern und am Mittwochmorgen früh dann bei Hochwasser für den nächsten Streckenabschnitt nach Süden auslaufen.


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