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Same-same, but different: Überfahrt Surinam – Windward Islands

17.2., Tag 3

Es ist zwanzig vor elf Uhr morgens und schon zu heiss, um draussen im Windschatten zu sitzen. Aber dort, wo der Wind Kühlung bringt, bringt er auch Salzwasser in nicht geringem Mass mit. Das findet mein Laptop nicht so angenehm, auch wenn er „Bord-PC“ heisst. Ergo sitze ich unter Deck und habe mir eine halbe Stunde Berichtschreiben vorgenommen. Danach brauche ich dann sicher wieder Kühlung draussen.

Wir sind schon am 3. Tag angelangt von unserer Fahrt von Domburg, Surinam in Richtung Barbados und Martinique. Gemäss Plotter sind es noch ca. 220 von etwa 490 SM bis zur Ansteuerung Barbados oder nochmals 100 mehr bis Martinique. Also noch 2-3 mal 24 Stunden, wenn alles so weiter läuft wie bisher.

Die Überfahrt ist vergleichbar mit und doch anders als unsere anderen bisherigen 500-Meilen-„Sprünge“ auf dieser Reise. Vergleichbar ist sie, weil wir wie üblich zu zweit unterwegs sind, die Vorbereitungen wie immer abliefen und die Routine ebenfalls wie immer allmählich aufkommt. Anders ist sie, weil wir einen deutlich anderen Kurs fahren als sonst, nämlich fast am Wind mit gelegentlich etwas mehr räumlichem Wind. Das heisst, die Schiffsbewegungen, die Geschwindigkeit, oder eben auch die Suche nach geeigneten Orten zum Sitzen sind ganz anders. Wo auf den anderen Überfahrten die typische Korkenzieher-Bewegung normal war, geht es jetzt deutlich rauer zu. Sea magiX krängt (neigt sich) mit dem Wind nach backbord und unsere Welt ist immer schräg. Dazu kommt das Stampfen in den Wellen, die (meistens) seitlich von vorne kommen. Manchmal „fällt“ unser Boot in ein Wellenloch und schlägt mit Getöse im Wasser unten auf. Manchmal schlängelt sie sich wie ein Fisch durch die Wellenberge und -Täler und lässt sich von der einen anheben und von der anderen abrollen. Insgesamt bedeutet es ein anstrengenderes Leben als bei Raumschotskursen. Es dauerte deshalb auch etwas länger, bis wir bei dem Gestampfe schlafen konnten. Nicht ganz einfach, wenn man ab und zu in der Luft hängt, und dann wieder mit einem „Rums!“ (hoffentlich auf der Matratze) landet. Aber die Achterkoje, wo wir unterwegs schlafen, ist fast vollständig mit diversen Kissen ausgekleidet und generell niedrig genug, dass man nicht weit fliegt.

Der Kurs hat auch seine Vorteile: das Kästchen mit den Süssigkeiten liegt im Lee, d.h. unten, und kann gefahrlos geöffnet werden, um nach feinen Naschereien zu suchen. Ein Nachteil andererseits ist, dass die ganze Pantry im Luv (also oben) liegt. Jeder Versuch, einen Teller oder sonst eine Utensilie für eine Mahlzeit heraus zu nehmen, beansprucht akrobatische Fähigkeiten: mit den Beinen gut ausbalanciert irgendwo verkeilt stehen, dann mit einer Hand das Kästchen öffnen und mit der anderen Hand die heraus regnenden Schalen und Becher aufzuhalten versuchen. Nun (vielleicht mit der Nase?) das gewünschte Geschirr herausnehmen und schnell irgendwo abstellen, wo es nicht weiter rutschen kann, also wahrscheinlich in die Spüle. In der liegt aber schon alles andere Geschirr, das die eine Hand nicht aufhalten konnte. Hmmmm – jetzt mal das Kästchen wieder zu quetschen, bevor der ganze Rest auch draussen ist, den eigenen Stand wieder justieren und in aller Ruhe das verstreute Geschirr einsammeln, bevor es ans wieder Einräumen geht… Etc. etc. Dabei wollte ich doch nur eine Tasse herausnehmen. Eine Handlung, die normalerweise 5 Sekunden dauert und sich jetzt zu einer minutenlangen Turnübung ausdehnt. Und den Teebeutel hab ich noch nicht aus dem anderen Kästchen geholt. Geschweige denn das heisse Wasser vom schwankenden Herd. So vergeht die Zeit auch.

Zum anstrengenderen und etwas weniger schnellen Kurs kommt auch auf dieser Route wieder ein Strom-Thema hinzu. Der Äquatorial-Strom, der entlang der Südamerikanischen Küste nach Westen zieht, hat uns voll im Griff. Und leider zieht er nicht nach nordwesten, wie die Modelle sagen und wir erwartet hatten, sondern bisher beständig nach südwest, und zwar mit 2-3 Knoten. Anstatt uns zu unterstützen und für schnelles Vorwärtskommen zu sorgen, bremst er uns mal wieder, ziemlich effektiv. Wir fahren durchs Wasser zwar meistens mit ca. 5.5-6 Knoten, aber über Grund ergibt das 4.5-5. Und wir steuern viel höher am Wind, um die starke Abdrift nach Westen vorzuhalten. Irgendwie hatten wir uns das anders vorgestellt. Ob das am Tag 4 oder 5 noch ändert? Der Skipper glaubt daran, die Crew eher nicht. Und so ergeben sich auch gelegentlich Diskussionen über den richtigen Kurs.

Das Wetter war uns bisher recht hold. Am Tag 1, Samstag, 15.2., als wir morgens von Domburg losfuhren, schien die Sonne und der Wind wurde erst bei der Einmündung des Commewijn-Flusses bei Nieuw Amsterdam stärker. Für einige Abschiedsfotos und -Textnachrichten reichte die Zeit gerade noch. Vorbei gings an der Marina River Breeze, an den grünen und in Paramaribo dann bebauten Ufern, unter der hohen Jules Wijdenbosch Brücke hindurch, am Goslar-Wrack aus dem 2. WK vorbei.

Mit dem ablaufenden Wasser waren wir recht schnell unterwegs, so dass es mit der gleichen Tide auch noch hinaus über die Barre reichen sollte. Nur bedeutete dies, dass wir bei Niedrigwasser über die seichteste Stellen fahren würden. Sollten wir doch noch ankern und die nächste Tide abwarten? Eigentlich hatten wir keine Lust darauf, denn wir kennen das schon, wenn sea magiX am Anker segelt. Als wir vor zwei Wochen hier hereingefahren waren, kam gleichzeitig ein kleines Frachtschiff mit (gemäss Infos in seinem AIS) 4.5m Tiefgang herein. Der wäre damals nicht so locker etwa bei der Mitte der Gezeit hereingekommen, wenn es nicht tief genug wäre in dem markierten ausgebaggerten Kanal. Sagen wir uns. Und wagen es. Und hoffen, diesmal keinen herrenlosen Fischernetzen zu begegnen. Es klappt dann auch. In dem Kanal haben wir auch auf der Barre immer etwa 5.5m Wassertiefe, obwohl die Gezeitenhöhe in dem Moment mickrige 20 cm beträgt. Also doch richtig gebaggert, hier… Wir sind jedenfalls froh, als wir nach der Ansteuerungstonne ein wenig abfallen können und das Echolot ganz allmählich grössere Tiefen anzeigt. Bis wir auf 10m sind dauert es mehr als fünf Seemeilen und für die Zwanzigmeterlinie brauchen wir nochmals zwei Stunden.

Unterwegs staunen wir über die Farbe des Wassers; wir fahren in klar getrennten braunen, grünen, dann wieder braunen, dann wieder hell- oder dunkelgrünen Streifen. Erst am Abend, etwa 10 Stunden nach unserer Abfahrt, erreichen wir blau-graues und mehr als 100m tiefes Wasser. Mit der Hoffnung, bald wieder im blauen, klaren Atlantik unterwegs zu sein, segeln wir – wie üblich nur mit der halb eingerollten Genua – in die Nacht.

Am Morgen des zweiten Tages, Sonntag dem 16.2., hält uns ein dickes Wolkenband mit Regenwolken und sehr wechselhaften Winden im Atem. Auf diesem Kurs ist es schwierig, alleine die Genua zu verkleinern. So muss ich den Skipper mehrfach aus seiner Koje holen, damit er helfen kommt, wenn wieder eine dicke Wolke mit viel Wind daher kommt. Meist dauert der Spuk mit dem vielen Wind nur eine Viertelstunde oder vielleicht eine halbe, dann sind wir schon wieder mit zu wenig Tuch unterwegs und können den Kurs nicht mehr halten. Also wieder ausrollen, vergrössern, justieren. Und eine halbe oder Viertelstunde später geht’s wieder los mit der nächsten Wolke… Wenn man das jeweils im Voraus wüsste, könnte man alles ja einfach stehen lassen und abwarten. Aber es ist den Wolken nicht anzusehen, was sie bringen (ausser Regen), und entsprechend warten wir zwar schon einen Moment ab, aber irgendwann dann eben nicht mehr und schon geht der Reigen wieder los.

Nachmittags beruhigte sich das Wetter und wir hatten eine wunderbar stern- und mondklare zweite Nacht, nur unterbrochen von einem einzigen Reffmanöver. Nachts (wenn noch kein Mond da ist), ist die Orientierung sehr schwierig, wenn wir zwar das Segel mit der Stirnlampe beleuchten, aber drum herum nur schwarz ist. Ich übersteuerte bei jenem Manöver vollkommen und wir drehten eine Pirouette. Zum Glück hatten wir nur die Genua (schon stark gerefft) draussen – so drehte sich sea magiX einmal um sich selbst und dann wieder ein wenig zurück und es passierte nichts Schlimmes. Nicht mal stark angespritzt wurden wir. Trotzdem: nächstes Mal wohl etwas besser auf den Windex schauen als auf den zu langsamen Kompass…   

Auch heute Morgen war es noch immer schön und sonnig. Inzwischen sind die Wolken mit ihrem Regen und den Böen wieder da und wir haben schon das eine oder andere Mal verkleinert und vergrössert. Hoffentlich wird es für die zweite Hälfte dieser Überfahrt dann etwas konstanter mit dem Wind! Und hoffentlich dreht der Strom bald nach Nordwesten und hört auf, uns so zu bremsen. So oder so: wir haben keine Alternativen. Nur die Frage, ob wir vielleicht gleich an Barbados vorbei und direkt nach Martinique segeln wollen, ist noch offen. Aber das entscheidet sich dann, wenn wir vor Barbados sind. Es bleibt spannend!

Di., 18.2., Tag 4

Fast hätte ich heute Morgen nach dem mal wieder wunderschönen Sonnenaufgang den Moment verpasst: als im Plotter die noch zu segelnde Distanz zur Anfahrt von Barbados auf unter 100 SM rutschte.

Jetzt, Mitte Nachmittag, sind es noch ca. 74 SM. Und der Atlantik zeigt sich uns wieder von seiner besten Seite. Blauer Himmel mit ganz wenigen kleinen Passatwölkchen, blaues Wasser (endlich!), weisse Schaumkronen und Leonie am Steuer. Das heisst, relativ konstanter Wind. Die Batterien sind geladen, der Wassermacher ist gelaufen (erstmals wieder seit den Iles du Salut, als wir ein letztes Mal einigermassen klares Wasser hatten), an Bord ist es friedlich, trotz noch immer gelegentlicher Spritzschauer bis ins Cockpit. Der Skipper macht Freiwache drinnen – ist trockener, wenn auch heisser.

Gestern fuhren wir am Nachmittag durch dichte Seegras-Felder, die nicht nur Leonie sehr zu schaffen machten, sondern auch unserer Seewasserpumpe für die Pantry. Es kommt nur noch ganz wenig Wasser aus dem Hahn und schon merken wir, wie bequem das doch ist, wenn man in der Küche mit viel Salzwasser spülen kann. Früher hatten wir das mit einer Pütz (einem Kübel) im Cockpit gemacht. Das ging auch, war aber deutlich umständlicher. Erste Untersuchungen durch den Skipper haben noch keine klare Diagnose ergeben. Aber: eine Ersatzpumpe hat er im unerschöpflichen Fundus der Rumpelkammer schon gefunden. Mal sehen, ob am Anker dann irgendwann eine genauere Diagnose getroffen werden kann.

Wir zielen nun momentan doch auf Barbados und nicht direkt nach Martinique. Trotz den nahenden Terminen (allen voran mein Abflugtermin am 27.2. – oh Schreck!) wollen wir uns gerne die Zeit für einen, vielleicht sogar zwei Tage am Anker vor Bridgetown nehmen. Wir haben sehr schöne Erinnerungen an jenen Ort. Wie es wohl jetzt sein wird, fünf Jahre später? We will see. Jetzt hoffen wir mal noch auf einen weiterhin so schönen Rest der Überfahrt. Auch da: we’ll see.

Mi., 19.2., Tag 5

Es wurde nochmals ein schöner Segeltag mit blauem Himmel, gelegentlichen Passatwölkchen, genug Wind und weiterhin auch nachts sehr warmen Temperaturen. Die Cockpitdusche mit dem Seewasserpümpchen war fast jeden Tag eine willkommene Erfrischung. Und auch nachts brauchten wir nicht mehr als T-Shirt und Shorts unter der Rettungsweste. Auch in der letzten Nacht begleitete uns der Mond, der auf dem Rücken liegend inzwischen bei Halbmond angelangt ist. Trotzdem reichte sein Licht sehr gut, um Boot und Meer zu beleuchten. Schon bald nach Mitternacht war der Lichtschein über der Insel Barbados sichtbar und zwei Stunden später konnten die ersten Lichter erkannt werden. Unser Timing war perfekt: schön mit dem Tagesanbruch hatten wir das Lee der Insel erreicht.

Für die letzten 2 Seemeilen brauchten wir noch den Motor. Gemütlich tuckerten wir auf die Bucht vor Bridgetown zu. Als wir auf ca. 15m Wassertiefe angelangt waren, war es hell genug, um uns im Ankerfeld orientieren zu können. Anders als vor 5 Jahren ist nun ein grosser Teil der inneren Bucht mit Mooringbojen und kleinen Booten belegt. Dahinter, d.h. aussen davor ist das Wasser richtig tief: 15m und mehr. Wir legten uns ganz links ans Ende bzw. den Anfang des Anker-/Bojenfeldes neben eine holländische Stahljacht. Da fühlten wir uns ja gleich wieder wie «zuhause» in Surinam ;-).

Als das Teewasser heiss und das Frühstücksmüesli fertig, sowie das Schiff einmal mit Süsswasser und Schwamm abgespült war, hatte sich auch die Sonne hinter der Insel erhoben. Aaaaaah, ja, genau so soll es sein: türkisblaues Wasser, heller Sandstrand (an dem momentan erst ein paar Reiter mit ihren Pferden baden gingen), warme Brise. Auf den Sprung in das so klare, warme und weiche Wasser, der dann sofort folgte, hatten wir uns beide schon länger gefreut.