Schon der Name ist sympathisch, aber die Insel noch viel mehr. Ich sitze am Abend des 10.1. im Cockpit, mit Blick auf Les Saintes und auch Basse-Terre von Guadeloupe (Basse-Terre, das ironischerweise die Höhere der beiden Hälften des Guadeloupe-Schmetterlings ist…). Die Sonne hat sich soeben hinter einer Wolke über den Iles Saintes versteckt, wird aber bald darunter hervorkommen und im Meer versinken. Sea magiX schwoit in grossen Bögen an ihrem Anker: wir haben bei 3m Wassertiefe 30m Kette draussen. Es bläst ziemlich, rundum, so dass wir die Bimini-Verlängerung über dem Cockpit nicht aufgespannt haben – die würde es uns vielleicht «verhudeln»; es sind etwa 20-22kn Mittelwind im Moment. So liegen wir gemeinsam mit etwa 15 anderen Yachten in der Bucht von St. Louis. Hier hätten wohl 50 oder 100 Boote Platz, aber da Marie Galante nicht im Standard-Programm jedes Charterers liegt (im Gegensatz zu den Iles Saintes), und weil es bei den derzeit herrschenden Bedingungen auch ein wenig Schwell gibt hier, fühlt es sich schon fast an, wie wenn wir alleine wären. Es ist einfach wunderschön… so schön, dass ich schon wieder lange nicht mehr geschrieben habe – sorry guys!
Der Entscheid fiel relativ bald für die Nachtfahrt, nachdem vom Wetterbericht klar geworden war, dass am nächsten Tag eher mehr als weniger Regen zu erwarten war, die Nacht hingegen schöner zu sein versprach. Wir hatten dann eine wie erwartet schöne, ruhige und angenehme Nachtfahrt von Martinique in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, 7./8.1. Der Mond war schon wieder fast voll und leuchtete uns vom Sonnenuntergang bis kurz vor Sonnenaufgang den Weg. Wir waren wie geplant in der Bucht von Le Robert etwa um 17h losgefahren, so dass wir etwa um 18h, d.h. eben bei Sonnenuntergang, beim Ausgang übers Riff von der Presqu’ile de Caravelle vorbei und im tieferen Wasser unterwegs waren. Dass wir keine der Fischerbojen dort aussen dran überfuhren war wohl pures Glück, aber wir sind sehr dankbar dafür. Beim Eindunkeln sind sie unmöglich zu erkennen – ist ja schon schwierig genug bei Tageslicht. Die Nacht verging schnell, in unserem angestammten 3-Stunden-Wachrhytmus. Wir zogen an Dominica vorbei und konnten schon bald nach Mitternacht erste Lichter von Marie Galante erahnen. Gegen 4h wurden sie so stark, dass ich eine Zeitlang meinte, wir führen auf eine Bohrinsel vor der Insel zu, bis sich die Lichter als Strassenlampen einordnen liessen.
Pünktlich zu Sonnenaufgang fuhren wir in den kleinen Hafen von Bourg an der Südseite von Marie Galante ein und machten längsseits am Ende eines Stegs auf der «Einheimischen-Seite» fest. Der etwas verschlafen wirkende Skipper einer dort ebenfalls festgemachten zu mietenden Yacht meinte, für ein paar Stunden ginge das sicher. Die Zeit, bis man hoffen konnte, dass eine Zollbehörde für die Clearance offen sei (wir schätzten etwa 09h), verbrachten wir mit Wasserkanistern beim Fischmarkt füllen, im Carrefour Express frische Baguettes und auf dem Parkplatz direkt beim Gemüsehändler an der Ladebühne seines Pick-ups frischen Salat kaufen, etc. In der um 08.59h für uns extra geöffneten Tourist Info bekamen wir die Infos, wo wir den Zoll finden würden, sowie viele weitere Informationen von einer äusserst freundlichen jungen Dame. Und beim Zoll (im 1. Stock eines Gebäudes, das angeschrieben ist mit dem Departement für Landwirtschaft – hätten wir ohne die Dame von der Tourist-Info nie gefunden!) konnten wir tatsächlich, absolut problemlos und äusserst freundlich, unsere Clearance bekommen – gleich für ganz Guadeloupe, zu dem auch Marie-Galante zählt. Die Dame hatte zwar ein etwas schwerfälliges 2-Adler-System zum Tippen und hatte wohl das Formular an jenem Morgen zum ersten Mal ausgefüllt, aber der sie unterstützende Herr war geduldig und hilfsbereit und unterhielt sich zwischendurch mit uns über die Schweiz, Roger Federer, Velofahren (in der Schweiz und auf Guadeloupe) und alles mögliche andere, während die schwerbewaffnete Zöllnerin mit voller Konzentration schwierige Wörter wie «Benedikt» tippte.
Beschwingt und glücklich über die entspannte Freundlichkeit, die wir hier zu spüren bekamen, legten wir dann bald wieder ab und segelten der Küste mit ihrem unendlich langen, wunderschönen Sandstrand entlang nach Norden, nach Port St. Louis. Noch herrschte wenig Wind aus eher südlicher Ost-Richtung, weshalb am Strand der Anse Ballet eher mehr Schwell war als in Port St. Louis. Und zudem hatten wir vor, auch mal wieder irgendwo essen zu gehen, oder ein Auto oder so zu mieten, was von hier aus ebenfalls einfacher geht.
Gestern fuhren wir – nachdem Bänz an Bord die Umplatzierung des Küchenlichtschalters zum Luxus vollendet hatte – an Land für «a little bit of exploring». Eigentlich sollte ich meinen Skipper inzwischen so weit kennen, dass ich auf diese unschuldige Beschreibung hin die Wanderschuhe hervorhole und nicht in den mir immer unbequemen aber dafür leichten Flipflops daher komme. Ich war wohl einfach zu sehr in Ferienstimmung… Jedenfalls spazierten wir dann mehrere Stunden lang wahrscheinlich durch jede Seitenstrasse vom kleinen Ort Port St. Louis. Der besteht aus einer sympathischen Mischung von älteren, teils verfallenden, teils gut erhaltenen, und neueren, oft farbenfroh gestrichenen Häusern und Häuschen rechts und links von der Débarcadère, an welcher es einen extra Dinghi-Steg gibt. Am Wasser gibt es drei-vier Restaurants, die vor allem mittags und teils auch abends offen haben, mit Holz-Terrasse aufs Meer hinaus, farbigen Plastikstühlen und jeweils ähnlichen Menükarten mit Grillades, Accras de Morue, Filets de Dorade, etc.
Wir spazieren auch dem Strand-Wanderweg entlang durch die Forêt tropicale sèche auf der Suche nach einem in unserem Doyle von 2014 erwähnten Hotel, vor dem man auch ankern könne, und finden vor allem die Generator-Station, die mit 5 Dieselgeneratoren einen Teil des Stroms für Marie Galante produzieren sollte, wenn sie fertig revidiert ist. Direkt daneben, im Lee der Auspüffe der Generatoren, liegt tatsächlich das ehemalige Hotel. Es ist aber offensichtlich nicht mehr in Betrieb; auch hier ist der Niedergang des stationären Tourismus wohl zu spüren. Oder vielleicht lag es von Anfang an an der etwas ungünstigen Lage.
Zurück im Ort entscheiden wir uns spontan für die Miete eines Scooters für den nächsten Tag. Inzwischen sind nämlich die Christmas-Winds oder ihre etwas verspäteten Drei-Königs-Cousins angekommen und es bläst mit ca. 25kn aus E bis NE über die Insel. Ich sah uns da mit unseren Klappvelos deshalb nicht glücklich werden.
Der Sundowner am Abend fällt dann einer gröberen Kühlschrank-Putzaktion zum Opfer; ich war am Vortag in Bourg ein paar Stunden lang meinem eigenen eisernen Grundsatz, Fleisch jeweils nochmals in einen zusätzlichen, dichten Plastiksack zu packen, nicht gefolgt, und bezahlte die Nachlässigkeit (es war glaube ich wirklich das allererste Mal seit Juni, dass ich mich nicht daran gehalten hatte, und dabei war es ein industriell vakuumiertes, gefrorenes Filet gewesen) dann am nächsten Abend mit dem Mief, der einem beim Oeffnen der Kühlbox entgegenschlug. Das zwischen den Regenschauern mit starken Böen im Cockpit gegrillte Filet entschädigte uns dann aber später durchaus – und noch viel mehr des Skippers Schoggibananen zum Dessert.
Die Vermieterin unseres Scooters, eine Italienerin aus Milano, die seit 22 Jahren hier in den Französischen Antillen lebt, hatte uns eingeschärft, um 08:05h heute Morgen bei ihr zu sein, um vor der Morgenfähre in jedem Fall den Scooter schon aus dem Weg gebracht zu haben. So gab es heute nur ein kurzes Morgenschwümmchen, Zmorgebrötchen en passant und Sandwiches eingepackt, dann gings – bequem und trocken im neuen Dinghi, trotz erheblicher Wellen bei dem Wind – an Land auf Sightseeing-Tour. Wir beschlossen, die Insel im Uhrzeigersinn zu umfahren, genossen die wirklich guten Strassen, schlängelten uns durch viele grüne Zuckerrohr-, Wald- und auch Weidelandschaften, besuchten die Plage du Vieux Fort, wo ein Kat mit viel Schwell ganz nah am Strand lag, die Geule de Grande Goufre, wo das Meer einen etwa 30m breiten Krater mit Tor ausgeschwemmt hat, und auch die Windturbinenstation an der Ostküste bei «Petite Place». Die Technik der Windmühlen fasziniert uns beide: sie sind jeweils mit grossen Jütbäumen ausgerüstet, damit sie – gemäss Infoschildern – innert etwa einer Stunde abgelegt werden können, wenn ein Hurricane oder Tropensturm droht. Auch der Besuch einer alten Windmühle, die zum Pressen von Zuckerrohr verwendet wurde, liegt am Weg.
Ein Besuch einer Distillerie – derjenigen von Bellevue – darf ebenfalls nicht fehlen. Es ist visite libre, mit Erklär-Schildern. Sie ist derzeit nicht in Betrieb, und so wirkt sie vielleicht nicht ganz so lebendig. Aber uns gefällt, dass hier anscheinend auch Bestrebungen herrschen, den Abfall und das Abwasser des Destillationsprozesses zu nutzen. Und der Skipper ist vor allem von den Ruinen der früheren, alten Einrichtungen fasziniert, die aussehen, wie wenn eines Tages der Schalter auf off gestellt worden wäre und seither niemand mehr etwas daran gemacht habe. Die Vegetation ist im Begriff, die Anlage wieder für sich in Anspruch zu nehmen.
Weiter geht’s nach Capesterre, das dem Ostwind voll ausgesetzt ist, und wo der kleine Fischerhafen heute tatsächlich mit Leinen und einem Netz geschlossen worden ist. Der Ort wirkt irgendwie im Verfall begriffen. Aber vielleicht ist das auch, weil vieles gegen den starken Wind verrammelt worden ist. Die Brandung an der Ost- und Südostküste ist beeindruckend; dort wo die Strasse nahe am Meer entlang führt, ist sie nass vom Spray.
Bald erreichen wir die Vor-Quartiere von Bourg und kehren in einer Beiz mit kreolischer Küche ein. In Bourg selbst können wir uns gerade noch mit dem Scooter unter das Zeltdach einer geschlossenen Imbissbude flüchten, als ein wirklich starker Schauer mit Sturmwind daher kommt, alles mal so richtig abwäscht, aber auch vieles vor sich durch die Luft wirbelt. Nach 10 Minuten ist der Spuk aber schon wieder vorbei und nach einem kurzen Besuch in Café und Bricolage-Laden, geht die Runde weiter, bis wir gegen 16h den Scooter wieder ihrer Besitzerin übergeben können.
Die Insel hat uns sehr gefallen. Sie ist abwechslungsreich mit ihren diversen Landschaften, Küstenabschnitten und historischen und modernen Windmühlen. Die Menschen, denen wir hier begegnet sind, waren alle äusserst freundlich, offen, hilfsbereit und interessiert und wir sind froh, dass wir uns diese Zeit hier nehmen konnten.
Der Wetterbericht sagt weiterhin viel Wind aus Ost bis Nordost voraus. Morgen Samstag bleiben wir wahrscheinlich nochmals hier, aber am Sonntag geht’s dann wohl mal weiter nach Norden, zur grossen Insel Guadeloupe. Denn einer der wenigen Nachteile dieser Insel hier ist ihr Internet: unser mobiler Hotspot kommt nur auf ein 2G-Netz; das reicht leider nicht fürs Arbeiten und macht es auch schwierig, diesen Bericht hochzuladen.