Hanging loose in Porto Santo

Unsere acht Tage auf Porto Santo, der kleinen Insel nordöstlich von Madeira, bleiben in allerbester Erinnerung. Wir kamen mitten in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, 21.8. am NE-Ende der Insel um die Ecke. Im Dunkeln bei starken Fallböen drehten wir eine Runde im Hafen. Dort war wie erwartet nichts frei und so gings an den Strand vor Anker. Wenn nördliche Winde wehen, dann ist der Strand von Porto Santo die perfekte Ankerbucht: gleichmässig abfallender, bis weit hinaus weniger als 10m tiefer, gut haltender Sandboden und gaaaaanz viel Platz. Von dort aus erlebten wir eine wunderbar entspannte, fröhliche und vielseitige Ferienwoche.

Schon auf unserer Erkundungstour nach der Anmeldung bei GNR und Marina Office lernten wir Mike und Leontide von der «Make My Day» kennen. Sie wurden nicht nur zu einem unerschöpflichen Fundus an Information für uns, sondern wirken auch als kleine Warnung: die Insel hat offensichtlich sehr grosse Anziehungskraft (was wir nachträglich bestätigen können). Mike und Leontide hatten – so wie wir – ebenfalls vor gehabt, für etwa eine Woche auf Porto Santo zu bleiben und dann weiter zu ziehen. Das ist nun 14 Monate her, die sie auf der Insel verbracht haben. Ihr in dieser Zeit angesammeltes Wissen teilen sie sehr bereitwillig mit Neulingen wie uns. Z.B. über die Regeln bei der Verwendung der Waschmaschine (nur 1 Sack pro Schiff pro Tag und man stellt den Sack in die Warteschlange und Maria von der Werft hilft wenn sie da ist und hängt die Wäsche in der Werfthalle sogar auf), oder wer der Besitzer der Nähmaschine ist, die verwaist in der Halle steht und vielleicht für die anstehenden Anpassungsarbeiten am Dinghy-Cover helfen könnte, oder – sehr wichtig – dass jeweils freitags ab ca. 18h der Seglertreff im Marinacafé stattfindet.

Wir treffen diverse Crews, die schon länger hier sind. Sowohl in der Werft am Trockenen, als auch an den Bojen oder in der Marina. Wer hier mal einen Platz im Hafen ergattert hat, gibt ihn anscheinend nicht so schnell wieder frei, obwohl direkt am Hafen die Dieselgeneratoren für das Inselkraftwerk unentwegt vor sich hin brummen. Das mag einerseits am sehr spürbaren Charme der Insel liegen, andererseits aber auch am günstigen Preis bei gleichzeitig guter, vorhandener Infrastruktur. Auch Ankerlieger zahlen übrigens einen Beitrag von 6€ pro Tag und obwohl wir die gepflegten, sauberen und funktionierenden Duschen nicht wirklich nutzen sondern das klare, warme Meerwasser mit anschliessender Borddusche am Ankerplatz vorziehen, finde ich diesen Beitrag durchaus ok. Für das Dinghi haben wir die Steg-Infrastruktur ja doch regelmässig genutzt und auch Süsswasser ab und zu etwas in die Duschsäcke gefüllt. Andernorts mussten wir ja auch schon nur fürs Anlanden mit dem Dinghi €4 und mehr bezahlen.

In der Marina lernten wir auch Baba und Robi von der schweizer Yacht Maxi kennen. Wie schön, mal wieder (fast 😉) echtes Berndeutsch zu hören, und gleich das Gefühl zu bekommen, dass unsere Wellenlängen hier zu einander passen! Auch mit Martin und Silke von der deutschen Entropy, mit der wir ab Vigo eine Zeitlang parallel gesegelt waren, kommen wir bald nach ihrer Ankunft in der Ankerbucht in Kontakt und bald ergibt sich ein eigenes, deutschsprachiges Seglergrüppchen im Marina Café. Die Runde ist fürs erste komplett, als sich Ulrike und Matthias von der SY Bella zu uns gesellen. Es wird rege ausgetauscht, erzählt, gefragt, beratschlagt, gelacht und auch das eine oder andere Cerveja oder Shandy getrunken. Dass wir Seglercommunity-Anfänger sind zeigt sich schnell an jenem ersten Abend, als wir alle feststellen, dass wir viel länger geblieben waren als erwartet, und nun alle ohne Licht im Dunkeln zu ihren Booten zurück finden sollten, wobei bei einzelnen auch noch das Ankerlicht noch nicht brannte… Aber die Runde machte eben so viel Spass, dass wir alle das Eindunkeln ignorierten. Die Fortsetzungen folgten danach auf den diversen Schiffen und wieder im Marina-Café. Einmal mehr erlebten wir, wie schön und wichtig es ist, mit anderen Seglern in Kontakt zu kommen. Und wie einfach, wenn man nur will.

Andere Erinnerungen, die wir mit Porto Santo verbinden, stammen von den diversen Ausflügen, die wir zur Erkundung der Insel unternahmen.

An einem Tag gings mit einem Tagespass der Link-App und dem E-Trottinett den ganzen kilometerlangen Strand entlang bis nach Calheta. Der Strand ist – wie auf Werbeplakaten angepriesen – wirklich wunderschön (das Plakat sagt, es sei der schönste Strand Europas). Unendlich lang, goldener Sand, türkisblaues, ins Marineblau übergehendes Wasser, weiss blitzende Schaumkrönchen weiter aussen, und im Kontrast dazu die kargen, vulkanischen Felsformationen in allen Ocker-, Braun- und Rottönen des Hinterlands. Viele einfache weisse Häuser, nur ganz vereinzelte noch nicht störende Hotelanlagen, Läden, Bars, Bistros, ein Gewusel von Touristen (die mit der Fähre von Madeira für Tagesausflüge kommen) und Locals, und das Ganze tagaus, tagein in Shorts und T-Shirt. Himmlisch!

Einen anderen Tag verbrachten wir mit einer Wanderung von der Marina aus zum Pico Juliana (460m) und Pico do Facho (512m). Beim dritten Pico (do Castelo) streikte die Crew und überredete den Skipper, nur noch halb hoch zu einer der diversen Antennen zu wandern, bevor es wieder hinunter etwa auf Meereshöhe ins Bistro ging, wo mit einem sehr feinen «Prego Extra» der vorherige Kalorienverbrauch sofort wieder aufgefüllt bzw. sicher übertroffen wurde (Prego Extra: eine sehr gut gefüllte Bifana mit dem runden «Bolo do Caco»-Brot).

Die Wanderwege waren teils schön gepflegt, teils musste man sie sich querfeldein selbst suchen, und teils führten sie in exponierte Kraxelsituationen. Am Pico Juliana wurde es der nicht schwindelfreien Crew deshalb irgendwann wenige Meter vor dem Gipfel zu ungemütlich; ich setzte mich auf einen Felsen und liess den Skipper alleine weiter ziehen. Und war dann sehr froh, als er nach einer gefühlt ewigen halben Stunde endlich wieder kam, denn nur schon in diesem steilen Hang zu sitzen führte zu stark erhöhtem Puls und der Blick hinunter, an meinen Schuhen vorbei in die Tiefe, gab mir jedesmal nasse Handflächen. Ein Lehrstück mal wieder, wie leicht wir uns selbst in schwierige Situationen bringen können.

Die Ausblicke von dieser Wanderung waren jedoch auch ohne Klettereinlagen jeweils überwältigend. Die Insel wirkt überaus karg und sehr stark erodiert, und doch gibt es immer wieder Pflanzen und Tiere, die sich in dieser lebensfeindlichen Umgebung halten können.

Unterwegs naschten wir z.B. von ausgewilderten Cherry-Tomaten, die sich einfach so am Hang angesiedelt hatten, wo früher wohl landwirtschaftlich genutzte Terrassen gewesen waren. Die sind nur noch ansatzweise erkennbar. Generell hatten wir oft den Eindruck, dass nebst den Ortschaften am Strand das Hinterland kaum mehr besiedelt ist. Es wirkte vieles wie aufgegeben. Auch die Bemühungen um die Umstellung der ganzen Insel auf erneuerbare Energie scheinen im Keim stecken geblieben zu sein. Zwei grössere Solarzellenflächen und ein einzelnes Windrad zeugen von den ersten Schritten. Ob das weiter verfolgt werden soll, wissen wir nicht. Momentan regieren auch hier die fossilen Brennstoffe, insbesondere das schon erwähnte Inselkraftwerk am Hafen. Dafür findet sich dort eine riesige industrielle Anlage zur Produktion von Algen… ob das wohl tatsächlich rentabel ist?

Bei der E-Mountainbike-Tour am nächsten Tag hatte ich aus der Kraxel-Erfahrung aber gelernt und setzte mich schon früher hin, als Bänz am Pico de Ana Ferreira mit der Bemerkung «aber hier ist es ja nicht überhängend» auch wieder die letzten Höhenmeter hinaufkletterte. Immerhin – noch bin ich lernfähig 😉.

Auch der E-Mountainbike-Tag gab uns unzählige Eindrücke. Die Schotter- und Sandpisten waren anspruchsvoll zu fahren. Als Mountainbike-Anfängerin blieb ich öfters im tiefen Sand stecken, oder die Räder drehten auf den teils fast senkrecht hinauf führenden Pisten durch, bis ich abstehen musste und nicht wieder anfahren konnte. Gelegentlich war nicht klar, ob wir nun in einem Bachbett oder noch immer auf einem Weg unterwegs waren… es dauerte eine Weile, bis ich den Skipper so weit hatte, dass er nicht mehr über jeden Hügel musste, wenn auch ein Weg drum herum führte.

Aber die Mühe lohnte sich auch hier, wenn wir verschwitzt und schnaufend an einem Aussichtspunkt ankamen und die Landschaft (bzw. oft die Küste) sich vor uns ausbreitete. Und: es tat auch gut, sich mal wieder so zu bewegen.

Den krönenden Abschluss dieses Ausflugs bildete die letzte Route zurück zur Marina. Sie führt von der Nordseite durch ein Tunnel um die Ponta da Galé. Gleich nach dem Tunnel hat aber ein Felssturz den Weg mit sich in die Tiefe gerissen. Übrig geblieben ist ein single trail Weg, der für Wanderer noch gerade passt, aber für Bike und Mensch etwas schmal ist. Insbesondere an jenen Stellen, wo man das Bike über Stock und Stein tragen muss. Was war ich froh, als wir endlich wieder am anderen Ende auf dem breiteren Weg ankamen! Das anschliessende grosse Shandy (die englische Version eines Panachés) im Marina-Café rutschte ganz schnell herunter.

Andere Beschäftigungen in dieser Woche drehten sich um die Fertigstellung und Anpassungen des Dinghy-Covers, die nach gescheiterten Versuchen, die Nähmaschine von Eric auszuleihen, von Hand erfolgten, wie auch die Erneuerung und Ergänzung unseres Wandbildes von 2019. Dies führte der Skipper in sorgfältiger Feinarbeit durch, während ich an Bord einen meiner Arbeitstage absolvierte.

So zogen die Tage ins Land und wir genossen jeden einzelnen davon. Wir verstehen jetzt auch besser, wie man auf/an der Insel länger als geplant hängen bleiben kann. Es wäre spannend, hier mal einen Winter zu verbringen. Wer weiss – vielleicht ein Thema irgendwann in der Zukunft?

Für dieses Jahr hatten wir vorsichtshalber in der Marina Quinta do Lorde auf Madeira für ab Freitag, 30.8. einen Hafenplatz angefragt. Als uns der Platz auf mehrere Nachfragen hin bestätigt wurde, hoben wir am Donnerstag, den 29.8. den Anker, verabschiedeten uns von unseren neuen Freunden und segelten mit dem zwar böigen aber sonst schönen Nordwind in wenigen Stunden zur grossen Schwesterinsel.

Danke an Ulrike von der SY Bella für das Bild!

In der Ensenada da Abra, unter den eindrücklichen Felswänden der Halbinsel Sao Lourenço, fiel bald der Anker. Das Wasser ist glasklar, dunkelblau und deutlich kühler als vor Porto Santo. Die Bucht ist aber sehr gut geschützt, es herrscht nur wenig Schwell, und unser Anker griff sofort sehr gut. Nur die Fallböen heulten wie tausend Höllenhunde in der Nacht und liessen sea magiX an ihren 45m Kette tanzen. Und tagsüber zieht oben auf den Felsen die Völkerwanderung vorbei: der Weg hinaus zum Ende der Halbinsel ist eine äusserst beliebte Wanderung, die wir vor 5 Jahren auch schon gegangen waren (der Skipper sogar 3 mal mit unterschiedlichen Begleitpersonen). Wie gemütlich, da unten im Boot zu sitzen, sich von den Böen kühlen zu lassen, und den Wanderern beim Schwitzen zuzusehen! Mol luege, ob wir uns dieses Jahr nochmals in die Völkerwanderung einreihen wollen. Es gibt auf Madeira so viel Schönes zu sehen. Ob die Tage uns dafür reichen? Mir wei luegä. Und vor allem – wir wollen den Moment geniessen. Wieder einmal wird uns bewusst, welchen Luxus wir hier gerade erleben.