Lichter aus in Georgetown

Lichter aus hier in Georgetown auf den Bahamas – gleich in mehrfacher Hinsicht – so ein blöder Mist und es kommt alles zusammen. Kaputte Verbraucherbatterie, kompletter Covid-19 Lockdown (ja, wirklich alles zu) mit Ausgangssperre 7/24 in den Bahamas, und im Dorf fällt noch dazu die Stromversorgung aus. Da gehen tatsächlich die Lichter aus. Zum Glück nähern wir uns der Springzeit und damit dem Vollmond, der auch hier übergross und sehr hell ist. Aber der Reihe nach…

Nach dem letzten Ankermanöver mit dem neuen Ankerwirbel ist die Batteriespannung der Verbraucherbatterie trotz laufendem Motor plötzlich im Keller. Die Spannung erholt sich zwar rasch, aber es beunruhigt mich doch zuerst einmal, denn es kann nichts Gutes bedeuten. Zwei Tage und viele Beobachtungen später dann die Gewissheit – die AGM Batterie ist tot. Sie taugt nur noch als Puffer für die Solaranlage und deren Regler. Am Tag, wenn die Sonne scheint, kann ich Kühlschrank, PC, Staubsauger, ja sogar den Wassermacher problemlos betreiben. Sobald die Sonne weg ist, ist Schluss. Die Spannung fällt auch bei kleiner Last sofort zusammen. Damit ist das Boot ohne Instrumente, Funk und Selbststeuerung nicht mehr seetüchtig. Ich kann ohne Ankerwinsch auch nicht mehr weg, sollte es denn nötig werden. Diese Vorstellung stresst mich tagelang und hält mich viele Nächte wach. Ich funktioniere nicht mehr rational, komme zu nichts mehr und bin den ganzen Tag nur am Grübeln. Die grosse Boaters Community hilft da nicht viel. Ich bekomme haufenweise gut gemeinte Ratschläge aber eigentlich brauche ich einfach nur eine möglichst grosse neue Batterie. Wegen des Lockdowns kann ich absolut nichts besorgen zum Reparieren, Ersetzen oder was einem da sonst noch in den Sinn käme. In meiner Verzweiflung schreibe ich per Mail und Facebook-Messenger ein paar der geschlossenen Firmen (Baumärkte, Hardwarestore und Wassersportgeschäft) an und habe nach zwei Tagen Glück. Kent von Watersports antwortet, er habe eine neue Starterbatterie am Lager, was fürs erste (und für die Ankerwinsch) mal reichen sollte. Sein Laden sei zwar wie verordnet geschlossen, ich könne aber die Batterie zu einem bestimmten Zeitpunkt und bitte ohne Aufhebens an seinem Dock abholen. Dankbar schlage ich erfreut, trotz des astronomischen Preises (im Vergleich zur Starterbatterie, die wir in St. Martin ersetzt haben) zu und freue mich erst recht, als er mir anbietet, die Batterie vorher zu laden und mit Kreditkarte zu zahlen. Am letzten Tag vor dem kompletten Oster-Weekend-Lockdown kann ich die Batterie und gleich wieder mal frische Lebensmittel, Bargeld, Dinghi-Benzin und Brauchwasser mit dem Dinghi in Georgetown holen. Zurück auf dem Boot schnaufe ich zuerst mal richtig durch und entspanne endlich wieder etwas. Der blosse Gedanke, nun wieder halbwegs agieren zu können, hilft mir sehr, auch ohne die Batterie sofort einzubauen. Nun kann ich auch wieder entspannen und fange an, die vielen unbeantworteten Mails und Whatsapps zu bearbeiten, wieder mal schöne Fotos zu machen und auch die schönen Seiten meines erzwungenen Aufenthalts zu sehen. So ein Mist, jetzt war ich wirklich etwas durch den Wind. Die Glückssträhne und Euphorie geht gleich noch weiter, als am Nachmittag das Dinghi meiner Belgischen Nachbarn mit Frank und Gwenda vorbei kommt. Sie haben auf dem dunkelgrauen Markt (wie ich bei Kent von Watersports haben sie die Dame vom Liquor Store angeschrieben) etwas Beruhigungsmittel einkaufen können und bieten mir 6 Flaschen Rotwein und 12 Bier zum Selbstkostenpreis an. Der ist auch nicht zu vergleichen mit den Preisen in St. Martin oder der Domrep, aber das ist mir im Moment egal. Nun bin ich auch mit Bier, Wein und Rum für längere Zeit wieder versorgt.

Ufff, nun sind der vollständige Lockdown und die Ausgangssperre über das kommende und alle weiteren Weekends im April, und vor allem das sehr lange Osterweekend schon nicht mehr so bedrohlich. Und der Stromausfall im Dorf? Den habe ich gar nicht bemerkt; einerseits weil ich eh um 20Uhr jeweils genug habe vom im Finstern sitzen und mich früh in die Koje verziehe und andererseits die Szenerie der grossen Ankerbucht durch den wahnsinnig hellen (fast-)Vollmond unwirklich hell beleuchtet ist.

Obwohl sich kaum etwas verändert hat, bin ich wieder zuversichtlich und arbeite an meinen Plänen für den Bootstransport und dann Heim-Segeln als Crew auf einem der vielen Boote hier, denen es wie mir an Crew für den Atlantiktrip mangelt. Auch die kleinen Reparaturen und Verbesserungen gehen auf einmal wieder leicht von der Hand. Ebenso gerne springe ich wieder viel in das glasklare und warme Wasser und beobachte mit Flossen und Schnorchel die Schildkröten am Ankerplatz oder die Fische unter dem Boot. Darunter ist auch immer wieder ein stattlicher Barrakuda, der auf etwas Essbares hofft.

Zwischendurch, 1-2mal unter der Woche, fahre ich mit dem Dinghi in die Siedlung Georgetown um alles Nötige zu besorgen und meine Tanks jederzeit voll zu halten. Es werden also immer alle Kanister und Duschsäcke mit Frischwasser gefüllt, Benzin für den Aussenborder und Diesel sofern nötig. Dann Einkauf in einem der beiden Supermärkte und etwas Gemüse vom Farmers Market. Auf dem offenen Markt gibt es meistens fast nur Tomaten, Kabis und Zwiebeln. Im Supermarkt ist jedoch die Auswahl ziemlich gut, besonders in der zweiten Wochenhälfte wenn das Mailboat, das Versorgungsschiff, da war. Frischfleisch, Gemüse und Früchte halten aber nicht besonders lang. Das Zeug ist einfach zu lange unterwegs und zu stark gekühlt. Dazu kostet alles, was frisch ist (das andere eigentlich auch) mindestens dreimal soviel wie im Supermarkt in der Schweiz- das war aber bekannt und erwartet und ich kann ja sonst fast kein Geld ausgeben. Jedesmal wenn ich im Dorf bin habe ich auch die beiden Telefone und den Notebook dabei und mache vor der geschlossenen Beiz «Eddie’s» mit dem schnellen WLAN alle Updates für Windows, IOS und die Apps. Es ist schon erstaunlich, was da für Datenmengen zusammenkommen, die ich nicht über die Mobile Verbindung meiner Bahamas Simkarte laufen lassen kann und will. Hie und da gehe ich auch zuerst in der Wäscherei vorbei und starte vor dem Einkauf eine Wäsche. Bei dem Klima hier gibt es aber alle 2 Wochen nicht viel mehr ausser ein paar T-Shirts, etwas Küchen-, Bad- und Unterwäsche.

Am Karfreitag habe ich nun 3 Wochen Lockdown hinter mir und habe in der Zeit natürlich auch viel für die Rückreise organisiert. Sea magiX wird definitiv als Decksfracht mit der MV Schippersgracht
https://www.marinetraffic.com/en/ais/details/ships/shipid:261072/mmsi:245578000/imo:9197363/vessel:SCHIPPERSGRACHT von Freeport nach Southampton reisen. Der Vertrag ist gemacht und angezahlt und der Fahrplan ist bis auf ein Fenster von etwa 10 Tagen um Mitte Mai auch fixiert. Definitiv ist auch, dass ich dank Covid-19 Regulations nicht mit dem Frachter mitfahren darf. Es bleiben also zwei Möglichkeiten für meine Rückreise, wobei der noch unsichere Startzeitpunkt, das Ladefenster von 10 Tagen, in beiden Fällen etwas blöd ist. Einerseits könnte ich versuchen, mit einem privaten Kleinflugzeug von Freeport nach Miami und dann von dort weiter nach Europa zu kommen. Es gibt noch vereinzelt auch sehr günstige Flüge. Das sollte auch bis in einem Monat sogar noch besser werden. Nicht besser wird aber die Informations- und Infektionssituation bis dahin in den USA – eher im Gegenteil. Und da wäre es dann schon sehr blöd, wenn ich jetzt 6 Wochen isoliert und sicher bin, um mich dann mit einer komplizierten Heimreise durch Seuchengebiet am Schluss noch anzustecken. Die andere Option ist Segeln, wenigstens auf die andere Seite des Atlantiks an die Europäischen Küsten. Die allermeisten Europäischen Boote hier (und auf allen Antilleninseln) haben auch mein Problem – keine Crew kann hierhin anreisen, um zurück zu segeln. So hat es viele Einhandsegler, Paare und Familien, die verzweifelt auf der Suche nach Crew sind für die Transat. Und nun bin ich auf einmal mit meiner Erfahrung ein seeeehr gefragtes Profil und kann zwischen Trips auf grösseren und kleineren Einrumpfern und Katamaranen aus Dänemark, Deutschland, Belgien, England, Holland und der Schweiz auswählen. Dabei beachte ich Sprache, Schiffstyp, Zustand des Bootes und Charakter der Skipper und Crew, aber vor allem auch meine Einschätzung der Verlässlichkeit einer Abmachung. Schliesslich müsste derjenige auf mich warten, resp mich in Freeport abholen wenn ich sea magiX am Frachter abgegeben habe, auch wenn sich die Situation unerwartet bessert, oder der Frachter doch noch etwas Verspätung hat. Nicht so einfach. Und: dann komme ich auf diesem Weg voraussichtlich erst Mitte bis Ende Juni heim 🙁 (… Das Geräusch soeben war der Seufzer von Uschi – hörbar quer über den Atlantik…)

Der Entscheid hat noch ein paar Tage Zeit, zuerst stehen nun Ostervorbereitungen an. Angekündigt war der komplette Lockdown und Ausgangssperre von Donnerstag Abend bis Dienstag Morgen. Eingekauft hab ich am Donnerstag und mache mich nun ans Eierfärben. Ist ja neu für mich, aber das Internet hat da schon viele Tipps. Leider braucht es fast immer etwas, was ich nicht habe – Damenstrümpfe, Lebensmittelfarben, frische Kräuter, Spinat etc. führe ich nicht auf sea magiX und kaufen kann man da sowieso nichts davon. Also werden mit Zwiebel- und Rüeblischalensud, etwas Takelgarn und Gummischnur aber auch mit in Zitronensaft getunkten Ohrenstäbchen die Eier gefärbt und verziert. Das Resultat kann sich sehen lassen für einen Amateur.

Am Ostermorgen bin ich früh auf, packe noch etwas von meinem Rest Schweizer Lindt Schoggi in Streifen in die als Nest aufgeppten Frühstücks-schalen und schleiche mich im Morgenrot mit dem Dinghi zu den zwei umliegenden Booten mit Kids. Der Osterhase mit Aussenborder – mein Zweitakter macht natürlich einen Höllenkrach. Aber aus dem Luv an die Boote treiben lassen klappt ohne, dass jemand an Deck erscheint und dann bin ich auch schnell wieder weg und zurück auf sea magiX. Und es hat sich gelohnt…. oder?


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