16.1. Vor genau zwei Wochen sind wir von Mindelo gestartet. Hinter uns liegen inzwischen ca. 1840 Seemeilen, vor uns gemäss Plotter auf direktem Weg noch ca. 130 SM. Es ist noch nicht der Moment für abschliessende Rückblicke; wer weiss, was in den kommenden 24-48 Stunden alles noch geschehen kann. Das ist übrigens eines der Themen, das Menschen wie ich, die gerne wissen möchten, was als nächstes kommt, auf solchen Reisen besonders eindrücklich lernen können. Mit dieser Unsicherheit umzugehen, im Wissen darum, dass wir für fast alle Eventualitäten gut ausgerüstet sind, sowohl materiell als auch psychisch und mit Erfahrung. Ein Gelassenheits-Training. Etwas aufwändig zwar, aber sehr effektiv. 😊
Oft stelle ich mir vor, wie es für die Seeleute von vor 500 Jahren und mehr gewesen sein muss, die auf Überfahrten gestartet sind, ohne zu wissen, was sie am Ende erwartete, bzw. ob es überhaupt eine andere Seite gebe oder ob sie irgendwo plötzlich vom Tellerrand fallen würden. Kein GPS, keine verlässliche Karten, kein aktueller Wetterbericht über die Beobachtung der Umgebung hinaus, langsame Schiffe mit grossteils erzwungener Crew und… kein Kühlschrank oder Wassermacher! Respekt; die waren hart im Nehmen. Und sicher auch anders konditioniert. Trotzdem – der Gedanke daran hilft, die eigene Situation zu relativieren. Ebenso wie die Weite des Horizonts und das unendliche, vielfältige Wasser um uns herum, oder die Morgen- und Abendstimmungen in all ihren Variationen.


Wir haben bisher nur sehr wenige Tiere gesehen auf diesem Abschnitt. Deshalb freuen wir uns so über unsere nächtlichen gefiederten Begleiter. Heute Nacht flatterte er herein, als wir gerade daran waren, das Grosssegel zu reffen. Unheimlich, so ein schwarzer Vogel in der vom Mond beleuchteten Nacht. Aber gleichzeitig auch schön, dass er wieder zu uns gefunden hat. Etwas später kommt dann auch noch der Familiennachzug: plötzlich haben wir zwei Schwarzfahrer auf dem Bimini. Mal sehen, ob in der nächsten Nacht (die gemäss Wetterbericht mit Regenschauern durchsetzt sein wird – schade!) ihre Freunde auch dazu kommen. 😊


… und plötzlich warens zwei…
Soeben haben wir den Gennaker gesetzt. Der Wetterbericht sagt – nebst den Regenschauern (die meist mit viel Wind kommen und deshalb gefürchtet sind) – eher abnehmende Winde voraus. Wir wollen deshalb mit dem grossen, farbigen Segel möglichst „in die Tiefe“ fahren, d.h., platter vor dem Wind, um dann später und vor allem in der Nacht wieder höher zielen zu können. Höher heisst schneller bei wenig Wind mit unserem Boot. Wir hatten für das Gennaker-Setz-Manöver gerade die Genua eingerollt und den Schlauch mit dem blauen Tuch hochgezogen, da begann des Skippers Angel wie wild auszurauschen: ein Fisch hatte angebissen! Also Manöver unterbrochen und uns um die Angel gekümmert. Das Einholen der Leine erwies sich als schwierig; die Trommel hatte sich verklemmt. Hand über Hand zog Bänz die Leine ein und ich hinten nach. Als er noch etwa 50 m hinter uns hing, sahen wir ihn: einen grossen, silbernen Thun. Wow, Menü-Änderung!
Aber es hat nicht sollen sein: etwa eine Bootslänge hinter uns zuckte es kurz an der Leine, dann war sie gerissen. Eindeutig eine zu dünne Leine für einen zu grossen Fisch… Schade! Den hätten wir gut in die Menüplanung einbauen können. Jetzt hängt wieder die andere, deutlich dickere Leine draussen. Wenn einer hier angebissen hat, warum dann nicht noch ein zweiter? Er muss einfach recht schnell schwimmen können: mit dem Genni sind wir momentan mit ca. 7 Knoten durchs Wasser unterwegs, das rauscht schon ziemlich. Aber vielleicht dann beim Manöver, um den Genni wieder herunter zu holen? Dann werden wir sicher wieder langsamer!

