Den Nordwestwind nutzen – eine etwas anstrengendere Nachtfahrt

Wir hatten nun so lange südliche Winde, dass wir den schönen Nordwestwind, der für Samstag angesagt ist, gerne richtig nutzen möchten. Unerwartet ist, dass es dazu bewölkt und grau mit gelegentlichen Regenschauern ist, aber wir sind halt einfach inzwischen verwöhnt… Trotzdem geht es schon am Morgen früh los mit ablaufendem Wasser in Richtung Süden. Im Lister Landtief zieht uns der Strom mit mehr Speed als der Wind durch, dann sind wir bald im freien Wasser (freies Wasser bedeutet in dieser Gegend eine Tiefe von knapp 10m; die Friesische Küste ist überall sehr flach. Aber 10m ist schon mal sehr viel komfortabler als die teilweise 4-5m in den Seegatts.)

 

Wieder entscheiden wir erst am Abend kurz vor Helgoland, ob wir hier anhalten oder gleich weiter nach Süden kommen wollen. Es läuft gerade nicht schlecht und das Wetter ist meist trocken. Zudem kann Leonie auch die NW 4-5 steuern, die wir haben, und so ist der Entscheid bald klar – es geht weiter nach Borkum, von dem wir ja schon viel gehört haben.

Wir segeln mal wieder an Helgoland vorbei

Die Nacht wird dann doch etwas anstrengender als erhofft: zuerst müssen wir südlich von Helgoland einen Kreisverkehr für die Grossschiffahrt passieren. Hier werden alle Wege geführt und verzweigt: Elbe, Jade, Rotterdam, Englischer Kanal oder Norden – alle Wege trennen sich hier in klar vorgeschriebenen Fahrbahnen. Und eben, alles geht um eine Ansteuerungstonne herum, damit keiner plötzlich als Geisterfahrer unterwegs ist. Die teilweise 400m langen Riesenschiffe geben sich hier alle ein Stelldichein und dazwischen hüpft da noch eine 11m-Segeljacht drin umher und versucht, nicht niedergemäht zu werden.

Wir wählten einen Weg, der mit dem Wind noch segelbar sein sollte, und uns nördlich der grossen Fahrstrasse für Holland ihr entlang nach Südwesten führte. Deutschland baut ja derzeit quasi in der ganzen Nordsee riesige Windenergie-Anlagen und auch hier ist ein solches Feld von Windmühlen bis auf etwa 3 Meilen an die Fahrstrasse heran gebaut. Die Anlagen sind mehrere Meilen lang und breit und oft schliesst eine weitere von einem anderen Unternehmen gleich bei der ersten an. Wie die Oelplattformen draussen, haben auch diese Windanlagen in der Helgoländer Bucht ihre Wachhund-Schiffe und es dauert nicht lange, bis wir gebeten werden, einen grösseren Abstand zur Anlage zu halten. So rauschen wir bei inzwischen teils recht starkem, böigem Wind durch die See. Rechts riesige Säulen-Bahnen mit vielen roten blinkenden Lichtern und links ebenso riesige Schiffe.

Sailor’s nightmare – ein Riesentanker genau von vorne…
Wir sind Schauer nicht mehr gewöhnt

Die Nacht ist viel dunkler als weiter oben im Norden und wenn wir nicht gerade mit Kurskorrekturen beschäftigt sind, können wir zwischen den Wolken die Milchstrasse erspähen. Trotzdem – in dieser Situation kommt weniger Romantik auf als auf dem offenen Wasser.

Gegen 02h queren wir dann die Fahrstrasse. Solche Traffic Separation Schemes müssen möglichst rechtwinklig überquert werden, was bei diesem Wind gar nicht einfach ist – die Konsequenz: Unsere treue Windsteueranlage Leonie wird abgelöst und von nun an wird von Hand gesteuert. Dank AIS können wir heutzutage aber recht gut abschätzen, wann eine gute Lücke für unser Vorhaben entsteht, und kommen so heil bis zum Mittelstreifen. Dann müssen wir diejenigen, die jetzt von rechts kommen wieder abwarten, und können danach auch die andere Spur queren. Dort geht’s gleich weiter mit der Suche nach den richtigen Bojen bzw. Kennungen für die Einfahrt in die Ems. In der Morgendämmerung können wir dem Bojenkanal nach Borkum folgen. Leider sind wir ein wenig zu spät dran und haben starken Gegenstrom – das macht auch die letzten paar Meilen nochmals anstrengend und ich bin froh, dass ich bald nach unserem stärkenden Ankertrunk-Frühstück für ein-zwei Stunden schlafen gehen kann.

Borkum im Morgengrauen
Ein grosser Hafen mit vielen Windpark-Versorgungsbooten

Borkum erforschen wir dann etwas später per Bus. Wir staunen über die Menschenmengen hier und am Strand, im Wasser, und in den Strandkörben. Die alle etwas herunter gekommenen Hotels, zusammen mit dem freudigen Sommerferien-Zelebrieren, mit Eiscafés, Ramschläden und vielen Sonnenbrand- und Übergewicht-gequälten Menschen geben dem Örtchen einen eigenen Charme, den wir aber nicht besonders lange aushalten. Bald sind wir – zusammen mit Hunderten von Volleyballern, die ein Beachvolley-Turnier gespielt hatten, auf dem „Bimmelbähnchen“ wieder am Weg zurück zum Hafen. Das Gewusel war etwas zu viel für uns! Aber so haben wir auch Borkum nun gesehen und können uns etwas mehr unter einer deutschen Nordsee-Ferien- und Kurinsel vorstellen.


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