So., 30.7.
Wir starteten gestern Samstag-Mittag bei schönstem Wetter von Hugh Town auf St. Mary’s, Scilly Isles, mit dem Ziel «irgendwo an der Bretonischen Küste», z.B. in der Rivière de Tréguier. Angesagt waren 5-6Bft aus West und später Südwest, und vor allem trockenes, ja sogar sonniges bzw. sternklares Wetter. Und es passte grösstenteils wirklich so. Nur einzelne Schauerböen mit deutlich stärkerem Wind und Regengüssen störten ab und zu das sonst recht friedliche Bild. Wir konnten das Grosssegel den ganzen Weg schonen und die Genua zog uns brav südostwärts, wie geplant.
Erst nach Mitternacht wurde es allmählich kniffliger mit dem Schiffsverkehr. Wir kreuzten die Fahrspuren der Tanker und Frachtschiffe, die in der Traffic Separation Zone um Ouessant gefahren waren oder dorthin zielten. «Ok, bei dem reicht es uns knapp vorne durch wenn der Wind hält, und beim nächsten zielen wir zuerst auf ihn zu und dann knapp hinter ihm vorbei, dann sollte es beim übernächsten auch noch klappen…» Ungefähr so tönte es in den Nachtstunden an Bord. Ab und zu nahm der Skipper mit dem einen oder anderen Frachtschiff über Funk Kontakt auf und einzelne änderten ihren Kurs jeweils um 10-15 Grad, um uns auszuweichen. Bänz musste die eine Hälfte seiner Freiwache in jener Phase opfern – ich hatte die Nerven nicht, um diesen Hindernislauf in meiner Wache alleine durchzuführen. Zumal gelegentlich auch noch die grossen Fischereiboote irgendwo quer dazwischen fuhren. Und zuletzt kam uns noch ein Geisterfahrer auf der falschen Spur entgegen. Die RMS Neustadt aus Deutschland… ob die vielleicht dachten, hier würden die englischen Strassenseiten gelten?
Mit dem Morgengrauen kamen neue Schauer und die Bewölkung des nächsten Tiefs. Weil es gerade so gut lief, segelten wir am Tréguier Fluss vorbei und um die Ecke zur Ile de Bréhat. Davon hatte Bänz schon länger mal wieder geträumt.
Ganz nah an der Insel mit ihrem Schlösschen, direkt vor dem Badestrand, warfen wir den Anker, der sofort super griff. Im Reeds heissts «good holding ground». Wir lagen wunderbar, bis eine kleine Segeljacht der Glénans mit einer Familie mit Segellehrer sich nur wenige Meter daneben legte. Das ging so lange gut, bis der Wind auf die angesagten 5 Bft aus SW drehte und wir uns plötzlich viel zu nahe kamen. Die Familie tat uns Leid, aber wir waren trotzdem froh, dass sie den Anker bald hoben und sich aus dem Staub machten. Warum nur hatten sie sich so nah bei uns legen müssen? Dabei war dies der erste französische Skipper überhaupt, der uns nach der Länge unserer Ankerkette-/Leine gefragt hatte (es sind 45m draussen und Bänz ist 100% überzeugt, dass er hält).
Kurz hatten wir überlegt, ob wir wirklich hier bleiben wollten bei dem weniger guten Schutz vor Südwestwind, oder nicht doch auch wo anders hin verlegen, denn der Wind pfeift schon sehr insistent im Rigg. Aber bisher hat der Anker wunderbar gehalten und eigentlich wollen wir hier wirklich noch nicht weg. Wir haben soeben bemerkt, dass wir ja doch noch einige Wochen Zeit haben und nicht schon gleich weiterziehen möchten. Paimpol wollen wir gerne noch besuchen, aber vor allem auch St. Malo, das wir beide sehr mögen. Und dann gäbe es noch einige andere schöne Orte hier in der grossen Bucht von St. Malo. Aber nicht, wenn wir jetzt gleich wieder weiter segeln. Wir möchten wieder in den Langfahrermodus kommen.
Aber das Schiff wollen wir (bzw. will die Crew) nicht alleine lassen, so lange es so bläst und sea magiX so an ihrer Ankerleine tanzt. Drum: es ist Brotbackzeit (Bänz will endlich die komische Schlabberschüssel in Betrieb nehmen, die ich bisher nur als wunderbares Klemm-Objekt gegen das Rattern der Gratinform im Backofen eingesetzt hatte), Schreib-Zeit und allgemeines «Chillen». Der Brotteig ist wunderbar aufgegangen. Etwas zu schnell und weit sogar… er hat sich aus seiner Schüssel selbständig gemacht und klebt nun an der Bordwand zum warmen Motorraum. Tja, jetzt ist klar, warum es wirklich nicht mehr als 380g Mehl sein sollten für die Schüssel!
Wir lassen die Nacht mit ihrem Wind allmählich herein kommen. Da auch inzwischen die Tide am Fallen ist, beginnen uns die Felsen rundum gut zu schützen. Nur ab und zu schrecke ich auf, wenn vom Anker ein Knarzen kommt, das anders tönt als das vorherige. Ich habe wohl noch immer ein Culatra-Trauma…