Aufgegangen

Wer kennt das nicht – das besonders positive Gefühl, wenn ein Plan aufgegangen ist? Wir sitzen gerade gemütlich unter Deck «am Schärme», während der SW-Wind wie tausend Derwische im Rigg pfeift und rüttelt, die «isolated showers» sich gerade in «more persistent rain» verwandeln und aufs Sprayhood prasseln und das Wasser der Bordwand entlang schwappt, wenn sea magiX an ihrer fest eingefahrenen Ankerkette tanzt. Der Plan ist aufgegangen – wir hatten darauf gesetzt, dass dieses Wetter erst am Nachmittag eintreffen sollte und konnten die 5 Stunden heute Morgen nutzen, um noch trocken und bei angenehmen 2-4 Bft hier in die Brendan Bay südlich vom River Shannon zu kreuzen.

Und das Schöne war: nichts hätte uns gezwungen, den Plan durchzuziehen, wenn er nicht aufgegangen wäre. Der Luxus unserer Reise zeigt sich einmal mehr: wir hätten auch einfach umkehren und Unterschlupf im River Shannon suchen können. Nicht so, wie die eine Segeljacht, der wir kurz vor unserer Ankunft hier begegnet waren, als der Wind gerade auf West und aufgedreht hatte: die haben die Genua eingerollt und den Motor gestartet, um gegenan zu bolzen und hatten noch mindestens 4 Stunden «Motortaumeln» vor sich, wenn sie bei ihrem Kurs geblieben sind. Heute ist Freitag, der 29.7. und wir stellen uns vor, dass einige Segler jetzt gerade unterwegs sind, um ihre Charterboote am Wochenende in Dingle abzugeben. Welch Luxus, das nicht machen zu müssen!

Wie es weiter geht, wissen wir zwar auch noch nicht so genau: momentan dominiert das Wort «southwest» in der Coast Guard Windvorhersage für unsere Region, mit Bft-Stärken, die das Gegenan-Kreuzen mühsam machen. Wir schauen mal, was da kommt und geniessen weiterhin das Gefühl, in Geborgenheit dem ungemütlichen Treiben draussen zusehen zu können.

In den Tagen seit Galway sind wir weiter dieser dramatischen Westküste entlang südwärts gesegelt. Mit dem Nachmittags-Hochwasser ging es am Montag, dem 25.7. aus den Docks und aus der Bucht von Galway. Unterwegs drehte der Wind von Nord auf Nordwest, so dass der ursprüngliche Plan, zu den Aran Inseln zurück zu kehren, verworfen wurde und wir weiter südlich zielten. Genau im richtigen Moment kam die Sonne zwischen den Wolken hervor und beleuchtete Teile der berühmten Cliffs of Moher für uns. Wir landeten wenige Seemeilen später vor der kleinen Pier in der weiten Liscannor Bay, wo der Anker im glatten, ruhigen Wasser beim zweiten Versuch einen guten Halt ohne Kelp fand.

Von Liscannor gings am Dienstag über die Mal Bay mit ihren diversen Felsen und Untiefen mit klingenden Namen wie «Kilstiffin Rocks», «Muirbeg» oder «Mweengalle Shoal» und dann entlang der Küste des County Clare weiter südwärts. Auch diesmal kam die Sonne mindestens teilweise kurz hervor, um den Loop Head zu beleuchten. Dieses Kap an der Nordseite des River Shannon wird in fast jedem Coast Guard Wetterbericht als Orientierungsmarke erwähnt.

In Carrigaholt, einer hübschen Bucht mit Pier und Castle hängten wir uns an eine der vorhandenen 8 Visitors Moorings, die aber alle ziemlich alt und überwachsen wirkten. Es war fast kein Wind angesagt, und so gingen wir das Risiko ein, nachdem wir mit dem Motor ein wenig daran gezogen hatten. Im Verlauf des Abends gesellten sich noch 3 weitere Segeljachten zu uns an diesen schönen Ort, aber die verliessen sich alle lieber auf ihre eigenen Anker.

Unser Enthusiasmus, am Mittwoch den Shannon ein wenig zu erforschen, wurde nach wenigen Meilen durch den abnehmenden Wind und zunehmenden Drizzle und Gegenstrom gedämpft. Wir kehrten um und trieben mit dem Strom bis kurz vor Kilrush. Es eilte nicht, denn gerade war Niedrigwasser und die ausgebaggerte Rinne war gemäss Pilot 2016 auf 1.5m gebaggert worden. (Wir haben 2m Tiefgang, aber bei Niedrigwasser sollte noch etwa 1m auf der Kartentiefe sein. Trotzdem…) Was in den 6 Jahren seither geschehen ist, wussten wir nicht und ich war nicht darauf erpicht, in der Zufahrt stecken zu bleiben. Aber der Skipper steuerte uns guten Mutes durch die sehr schmale Einfahrt zur Selbstbedienungs-Schleuse. Das Wasser-Einlass-System funktioniert hier sehr pragmatisch: das Tor zur anderen Seite wird einen Spaltbreit geöffnet und die Kammer mit der Differenz gefüllt. Eindrücklich, mit welcher Wucht das Wasser hier hereinsprudelt!

Auch von der Kilrush Marina und vom kleinen Ort Kilrush sind wir beeindruckt. Es wirkt alles sehr gepflegt, gut organisiert und sehr ordentlich. Simon, der Manager, ist 24/7 am Handy erreichbar und extrem hilfsbereit.

Kilrush ist ein lebendiger kleiner Ort mit Tourismus-Attraktionen wie dem Wasserpark, in dem Neopren-bekleidete Menschen sich unter den Augen von Lifeguards tummeln, den Dolphin watching Tours auf dem Shannon oder Ausflügen zu Scattery Island gleich vor der Schleuse.

Wir spazieren rund um den Square mit seinen diversen kleinen Läden und Pubs (und erkundigen uns erfolglos nach einer Möglichkeit, unsere deutsche Propangas-Flasche hier füllen zu lassen. Wie immer äusserst hilfsbereit werden wir nach Dingle verwiesen), erforschen den Supervalu, von dem wir eigentlich nichts brauchen und kehren dann aufs Boot zurück, um uns einer weiteren grösseren Pendenz anzunehmen, die sich für heute abzeichnete: der Skipper will den Dieseltank begutachten, bzw. die Rückstände an seinem Boden, jetzt, wo er nur noch ¼ voll zeigt. Da müsste man doch eigentlich den Boden sehen können. Aber um an den Dieseltank zu gelangen, muss eben die ganze Rumpelkammer ausgeräumt werden, denn der Tank ist da darunter…

Drei Stunden später wissen wir a), dass roter Diesel (den wir noch von den Orkneys im Tank haben) wirklich wenig Licht durchlässt, auch wenn nicht mehr so viel davon da ist, b), dass die mit einer kleinen Endoskop-Kamera gesehenen Rückstände am Boden nicht flächendeckend oder grob sind, c) dass es sehr schwierig ist, via Zwischenboden wirklich in die Tank-Ecken zu gelangen und d), dass wir seeeeehr viel Material in unserer Rumpelkammer umherschleppen. Mit der Öl-Absaugpumpe hat Bänz etwa 3-4dl Diesel aus der untersten Ecke abgepumpt, aber da ist kein sichtbarer «Dreck» darin. Im Vorfilter findet er dann etwas mehr davon; sowohl einen «Fäden ziehenden» schwarzen Film (das könnte auch Wasser sein), als auch körnige schwarze Rückstände an den Filterwänden. Die Menge und Dichte ist aber sehr klein und wir sind ziemlich sicher, dass uns unser Dieseltank keine Schwierigkeiten machen wird in nächster Zeit. Von Simon können wir dann auch am nächsten Morgen weissen Diesel aus dem Marina-eigenen Tank kaufen (zu € 2.22/l); jetzt sind wir wieder voll gerüstet für viele Motorstunden falls nötig.

Der Donnerstag war dann nochmals unter Nutzung des guten Internets der Marina für einen (Online-)Arbeitstag von mir reserviert, und wir nutzten danach die Abendstunden, um noch bei einer leichten Ost-Brise von Kilrush nach Kilbaha am Shannon-Eingang zu segeln.

Eben, wegen unseres eingangs erwähnten Plans. Die Wettervorhersagen kündigten nämlich an, dass der stärkere Südwestwind heute Freitag etwa ab dem Mittag komme, und dass vorher noch leichter Süd- oder Südwestwind vorherrschen werde. Wir hatten uns deshalb möglichst weit nach Westen in Position gebracht, um dann heute den halben Tag für die Fahrt hier in die Brandon Bay nutzen zu können. Und wie schon erwähnt – der Plan ging auf. Bei noch trockenem Wetter und moderatem Wind konnten wir heute Morgen hierher kreuzen, während sich die dramatische Kulisse immer wieder von neuem gestaltete mit den tiefhängenden Wolken, Schauern, dazwischen durchblitzender Sonne und schroffen Felsen abwechselnd mit grasgrünen rollenden Hügeln… Gelegentlich kurz besucht von mehreren Delphinschulen und umschwirrt von aufgeregten Seeschwalben oder knurrenden Guillemots. The wild west of Ireland at its best.


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