In der Nacht hatte der Wind auf südliche Richtungen gedreht (nicht so praktisch für eine Ems-Fluss-Fahrt) und stark nachgelassen (ok, dann doch besser so). Wir warteten das Niedrigwasser in Borkum ab, um dann mit mitlaufendem Strom die Ems hinauf segeln zu können. Der Morgen wurde genutzt für Büro- und Aufräumarbeiten und gelegentliche Schwätzchen mit anderen Hafenliegern. Die Kontaktfreudigkeit ist hier jedoch sehr viel weniger gross als in Schottland. Hauptthema: das trockene und heisse Wetter.
Nach Mittag gings dann los in die Ems hinaus und ab der Abzweigung bei der Fischerbalje können wir tatsächlich segeln. Der schon kräftige Strom wirkt, und wir haben starke Abdrift nach Luv. Wir starteten etwa gleichzeitig mit einer etwas kleineren Fahrtenjacht, aber bei diesen Verhältnissen zeigt Sea Magix noch so gerne ihre Stärken und die Distanz zum anderen Boot wird so schnell so gross, dass nicht mal beim Skipper irgendwelche Regatta-Gefühle hoch kommen.
Der Fluss bzw. das Gatt ist lange Zeit sehr breit, mit mehr als 5SM zwischen den – flachen – Küsten, wobei auf beiden Seiten viel trockenfallendes Watt liegt. Der Bojenkanal gibt Orientierung und auf beiden Seiten sind unzählige Windmühlen (in der holländischen Karte vermerkt mit „vele windturbines“), sowie auf der holländischen Seite auch viel Industrie. Wir kreuzen (mal wieder – wer hat denn gesagt, dass „Gentlemen don’t tack upwind“?) anfangs mit gutem Wind und nach ein-zwei Stunden mit nur noch einer leichten Sommerbrise südwärts. Man hört nur das leise Plätschern unseres „Bugwellchens“ und viel Vogelgezwitscher und Gänseschnattern. Ab und zu kommt ein grösseres Schiff vorbei auf dem Weg nach Emden oder Delfzijl, aber Verkehr ist hier nicht viel.
Den Eingang nach Delfzijl haben wir bald erreicht und finden es noch zu früh, um den friedlichen Segeltag schon zu beenden. Bald danach schläft der Wind noch mehr ein und wir segeln noch hauptsächlich mit dem Strom. Da wir vom Wasser vorwärts getragen werden, gegen die 2kn vorhandener Brise, verstärkt sich die Brise um die 2kn Stromfahrt, so dass wir quasi mit eigenem Wind segeln können. Kurz vor Emden geht’s in einen mit zwei Dämmen geführten Kanal, und die Wenden werden zahlreicher. Nun hört man – nebst den Schweisstropfen, die bei der Hitze aufs Deck platschen, auch noch das Blöken der Schafe, die hier jedes Bänkchen oder Abflussrohr als Schattenspender nutzen und sich darunter drängen. Ich bin zwar sehr froh um meine Merino-Shirts, aber gleichzeitig beneide ich die Schafe jetzt gerade nicht um ihre 2-3 Kg Wolle mehr, die sie mit sich umherschleppen. (Wie viele Kg Wolle trägt ein Schaf? Muss ich nachsehen.)
Im Aussenhafen von Emden machen wir fest in einer Box mit Pfosten hinten und Bug zum Steg, aber stellen fest, dass wir hier nicht bleiben wollen, denn zu unserer Überraschung fällt der Hafen trocken und wir könnten Sea Magix nirgends anlehnen.
Wir kommen gerade noch mit der letzten Schleusung von 19h in den Innenhafen, der eben nicht tidenabhängig ist, und möchten, wenn wir nun schon mal da sind, gleich noch die 2SM hinauf in den Stadthafen fahren. An der Strassen- und Eisenbahnbrücke am Weg dorthin hängt eine Telefonnummer, die man anrufen soll für Infos zur Brückenöffnung. Bänz ruft mehrfach an, denn a) versteht er den Herrn am anderen Ende akustisch sehr schlecht und b) auch inhaltlich nicht: nein, die Brücke werde erst wieder morgen um 11h geöffnet, wegen der Hitze. Und er habe jetzt keine Zeit, um uns das zu erklären. Offensichtlich ist es der arme Herr Leid, das ungläubige Schweigen am anderen Ende der Telefonleitung zu ertragen. Oder vielleicht mag er auch selbst die Absurdität seiner Aussage nicht mehr hören – jedenfalls wirkt er ziemlich genervt. Da hat die deutsche Ingenieursseele wohl einen Tiefschlag erlitten, wenn die Brücken ab 30 Grad weich werden.
Wir suchen uns ein freies Plätzchen beim Verein der Segelnden Friesen e.V. Doch, die nennen sich wirklich so! Sehr sympathisch hier, mit hilfreichen Angaben für Gastlieger, Wasser, und viel Ruhe. Der Verein gleich nebenan ist hermetisch abgeschlossen, mit Videokamera, hohen Sichtschutzhecken und Gitter zu den segelnden Friesen. Da scheint nicht viel Vereinsfreundschaft vorhanden zu sein…
Unser Spaziergang führt uns entlang einer vollbehangenen Brombeerhecke zu einer Quartiersiedlung mit ganz unterschiedlicher Nutzung der Hinter- (oder Vorder-? Wir sind uns nicht ganz einig) – Gärtchen: vom sorgsam gepflegten, geschmückten und mit Welcome-Schild ausgestatteten Vorzeigegärtchen zur überwucherten Wiese und zum Abstellplatz für Autos, Werkzeug und was sonst noch so ist. Spannende Gegend hier!